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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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er, ein vornehmer Mann mit kultiviertem Geschmack, sich nicht die Finger schmutzig machen.
    »Rufe sofort die yoriki Yamaga und Hayashi zu mir!« wies Ogyū den Diener an, der in der Eingangshalle auf ihn wartete.
    Er, Ogyū, würde die notwendigen Befehle erteilen, um die Nachforschungen durch die metsuke zu unterbinden und die Einmischung Sano Ichirōs in die Angelegenheiten der Nius ein für allemal zu beenden. Das Handeln aber würde er anderen überlassen.

18.
    D
    as plötzliche Trommeln von Hufschlag ließ die Menge auseinanderstieben, welche sich vor dem Nudel-Eßlokal versammelt hatte, in dem Raikō soeben sein Mittagsmahl beendete. Der Sumo-Ringer blickte von seiner Schüssel auf und sah zwei Reiter in voller Schlachtrüstung: reichverzierte Brustharnische aus Leder, Helme aus Metall, Gesichtsmasken. Die Schwerter gezogen, brachten sie ihre galoppierenden Pferde vor dem Lokal zum Stehen.
    »He, du da!« rief einer der beiden.
    Raikō stieß einen erbosten Schrei aus, als der Staub, den die Pferdehufe aufgewirbelt hatten, auf sein Essen wehte. Dann schleuderte er die Schüssel zur Seite, erhob sich und wandte sich den Männern zu. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine leicht gespreizt, starrte er die Fremden an.
    »Meint Ihr mich?« fragte er den vorderen Reiter mit grollender Stimme.
    »Ja. Dich.« Die Maske verzerrte die Stimme des Reiters, konnte die unausgesprochene Drohung aber nicht verbergen, die darin mitschwang. Zwei kalt blickende Augen musterten Raikō. »Bist du Raikō, der Ringer?«
    Raikō wich einen Schritt zurück. Sein Zorn verflog, als er die ersten Stiche der Furcht in seinem Innern spürte: Er hatte die Wappen auf den Brustharnischen und die geflügelten Ornamente auf den Helmen der beiden Reiter erkannt. Sie waren yoriki, die in den Straßen dieser Gegend so selten auftauchten, daß ihr Erscheinen stets etwas Schreckliches für irgend jemanden bedeutete.
    »Und wenn ich Raikō bin? Was dann?« fragte der Ringer und versuchte, sich unerschrocken zu geben. Doch seine Stimme zitterte, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Statt zu antworten, zerrten beide yoriki an den Zügeln ihrer Pferde. Die Tiere tänzelten zurück und vertrieben die letzten Zuschauer von der Straße vor dem Eßlokal. Der yoriki, der Raikō angesprochen hatte, rief mit schneidender Stimme:
    »Packt ihn!«
    Sofort stürzte sich eine Horde von Männern auf Raikō. Zwei ergriffen ihn bei den Armen und zerrten ihn aus dem Eßlokal. Die anderen drängten sich um ihn, die Keulen schlagbereit erhoben. Hinter ihnen sah Raikō drei dōshin mit jitte in den Händen und vier weitere Männer, von denen jeder ein mannshohes, dickes Holzgitter trug, sowie eine neugierige Zuschauermenge.
    Raikōs Verwirrung, seine Panik und die Angst steigerten sich. Er versuchte, sich aus dem Griff der Männer zu befreien. »Laßt mich los! Was wollt ihr von mir?«
    »Du bist verhaftet. Wegen Mordes an Noriyoshi, dem Künstler, und Yukiko, der Tochter des Fürsten Niu«, rief der vordere yoriki Raikō vom Rücken seines tänzelnden Pferdes zu. An die Männer gewandt, befahl er: »Bringt ihn zum Gefängnis!«
    »Ihr macht einen Fehler«, protestierte Raikō. »Ich habe niemanden getötet!«
    Doch als er diese Worte rief, verspürte er ein beunruhigendes, vertrautes, übelkeiterregendes Gefühl des Zweifels. Der Dämon, der in seinem Innern hauste, beeinflußte manchmal sein Erinnerungsvermögen; die Leute sagten ihm oft, daß er Dinge getan habe, von denen er selbst gar nichts mehr wußte. Es konnte also durchaus sein, daß er diese Leute ermordet und es dann vergessen hatte – sein Haß auf Noriyoshi war allemal groß genug, ihn umzubringen. Doch der Gedanke an das Gefängnis erfüllte Raikō mit Entsetzen. Er mußte die Polizei von seiner Unschuld überzeugen.
    »Ihr wollt den falschen Mann verhaften«, sagte er.
    Plötzlich kochte eine der unvorhersehbaren, unerklärlichen Wogen blinder Wut in Raikō auf, wie es schon des öfteren geschehen war, seit er seine Kopfverletzung davongetragen hatte. Der Dämon stieg aus seinem Innern an die Oberfläche. Mit wildem Gebrüll warf Raikō seinen massigen Körper zuerst nach rechts, dann nach links. Die Männer, die seine Arme gepackt hielten, wurden zur Seite gewirbelt. Raikō hörte, wie einer von ihnen ins Innere des Eßlokals geschleudert wurde. Entsetzte Schreie der Mittagsgäste ertönten. Raikō stürmte auf die anderen Angreifer los. Einen fegte er mit dem Arm zur Seite; einen anderen

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