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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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den Hintergrund dieses Mordes Bescheid wißt«, sagte er. »Schließlich weiß er, wer sich an diesem Abend hier aufgehalten hat. Vorerst wird er Euch am Leben lassen; denn je weniger Aufsehen er erregt, desto besser. Doch selbst wenn Ihr Euer Schweigen wahrt, könnte der Fürst zu der Ansicht gelangen, daß es sicherer ist, Euch zu töten – genau wie Yukiko. Ihr müßt mir helfen, Fürst Niu den Behörden auszuliefern. Das ist die einzige Möglichkeit, Euch und Eure Familie zu schützen, bevor er handeln kann. Begreift Ihr das nicht?«
    O-hisas Lippen bewegten sich, doch sie brachte keinen Laut hervor. Ihre Blicke huschten nervös umher, als würde sie nach einem anderen Weg suchen, sich aus ihrer Zwangslage zu befreien.
    Schließlich sagte sie: »Also gut. Morgen früh kehrt der junge Herr nach Edo zurück – und mit ihm ich und die anderen Diener. Nach unserer Ankunft werde ich Euch zum Rat der Ältesten begleiten.«
    »Danke, O-hisa.« Sano verbarg seine Erleichterung unter dem Tarnmantel geschäftsmäßigen Auftretens. »Sollen wir uns am Mittag irgendwo treffen?« Er wußte, daß es für sie beide zu gefährlich war, sollte er wieder im yashiki der Nius erscheinen; deshalb dachte er über eine andere Möglichkeit nach. »Wie wäre es, wenn wir uns am Geschäft des Schwertschmiedes Musashi treffen?« schlug er vor, denn dieses Geschäft war in Nihonbashi wohlbekannt.
    »Ja, gut. Auf Wiedersehen.« O-hisa verbeugte sich hastig; dann wandte sie sich um und eilte zu den Unterkünften der Diener.
    Sano beobachtete, wie sie davonrannte. Würde sie ihre Meinung bis morgen ändern? Würde sie mit den anderen Dienern über den Plan sprechen, den sie und Sano gefaßt hatten? Und würde einer der anderen Bediensteten es dann Fürst Niu weitererzählen? Doch Sano hatte keine Zeit, sich jetzt den Kopf über derlei Dinge zu zerbrechen. Bis jetzt hatte er Glück gehabt; die Wachtposten hatten ihn noch nicht bemerkt. Es war das beste, sofort zu verschwinden, bevor eine Patrouille erschien. Außerdem war er naß bis auf die Haut und so durchgefroren, daß er in Händen und Füßen kein Gefühl mehr hatte.
    Dennoch zögerte Sano. Er dachte an das Gespräch, das die Posten geführt hatten, und an Fürst Nius Ungeduld und an die seltsam hastigen Vorbereitungen der Dienerschaft für das Festmahl. Waren alle diese Beobachtungen Vorboten weiterer düsterer Geschehnisse? Und konnten sie weitere Erkenntnisse über die Motive Fürst Nius erbringen?
    Sano schlich vorsichtig bis zum Waldrand, von wo aus er die Vorderseite des Hauses sehen konnte. Er kauerte sich in ein Dreieck aus dicken Baumstämmen und beobachtete. Bald hörte er Hufschläge. Sie kamen von der Straße – draußen, auf der anderen Seite der Mauer. Das Tor wurde geöffnet. Zwei berittene Samurai wurden durchgelassen, die den von Kerzen erleuchteten Weg hinaufgaloppierten, sich von den Pferden schwangen und im Haupthaus verschwanden. Augenblicke später erschienen zwei weitere Samurai; dann kam ein einzelner Reiter; dann wieder mehrere.
    Sano fiel auf, daß die Männer immer nur einzeln oder zu zweit kamen. Bald standen zwanzig Pferde auf dem Hof vor dem Haupthaus. Sano hatte den sehnlichen Wunsch, jetzt ins Haus hineinschauen zu können. Dieses Treffen mußte irgendeinem geheimen Zweck dienen; anderenfalls hätte Fürst Niu es in bequemerem und angemessenerem Rahmen im yashiki in Edo abhalten können.
    Eine plötzliche Bewegung am linken Rand seines Gesichtsfeldes veranlaßte Sano, den Kopf zu drehen. Zwei Lichtpunkte waren auf jener Seite des Hauses erschienen, wo er O-hisa getroffen hatte. Die Lichtpunkte bewegten sich auf ihn zu. Augenblicke später erkannte Sano auch schon die massigen Gestalten der beiden Wachtposten, die vom Licht der Lampen angestrahlt wurden, die beide Männer in den Händen hielten.
    Ein eisiger Schauder der Furcht durchrieselte Sano, als einer der Posten erklärte: »Der Hausmeister sagt, er habe hier draußen die Stimme eines Fremden gehört.«
    »Das hat dieser dumme Ochse sich wahrscheinlich nur eingebildet.«
    »Trotzdem. Wir dürfen kein Risiko eingehen.«
    Ein schriller Pfiff ertönte. Zu Sanos Bestürzung verließ einer der Posten den Vordereingang des Hauses und eilte zu seinen beiden Kameraden; dann rückten die Männer weiter vor. Bald waren sie weniger als hundert Schritt von Sano entfernt.
    Sano warf sich herum und rannte los, fort vom Haus, hinein in den dunklen Wald. Er versuchte, sich leise zu bewegen, doch in der Finsternis

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