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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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andere Insekten sich nicht an sie heran, und sie erregen erst recht nicht ihren Zorn«, fuhr Ogyū fort und hielt inne, um das Gesagte wirken zu lassen.
    Ein solches Szenarium gab es in der Natur zwar nicht, doch Sano hatte die Botschaft sehr wohl verstanden.
    »Ihr habt also von meinem Besuch bei den Nius gehört?« sagte er. Die Nius, deren Familienwappen die Libelle war und deren Macht einen großen Schatten warf.
    Sanos Unverblümtheit ließ Ogyū zusammenzucken. »Es ist nicht an Euch, Fragen zu stellen, yoriki Sano! Müßt Ihr wirklich daran erinnert werden, wie gefährlich es ist, eine mächtige Daimyō-Familie zu belästigen? Fürstin Niu hat mich persönlich aufgesucht und sich über Eure Einmischung beschwert.« Seine Stimme wurde immer schriller und vorwurfsvoller. »Welche Dummheit, welche Dreistigkeit hat Euch Narr dazu getrieben, die Nius auf eine so unverschämte Weise und zu so unpassender Zeit aufzusuchen?« Ogyūs eingefallene Wangen röteten sich vor Zorn, und seine Lider wurden schmal.
    Nach außen hin nahm Sano die Beleidigungen gelassen hin, doch jede einzelne versetzte seinem Stolz als Samurai einen Stich. Sanos Gesicht brannte vor Scham, den Vorgesetzten so sehr gereizt zu haben, daß dieser seinem Zorn freien Lauf ließ. Doch unter der Oberfläche aus Betroffenheit und Beschämung spürte Sano die noch beängstigendere und schmählichere Berührung durch die eiskalte Hand der Furcht. Wie würde Ogyū ihn bestrafen?
    Doch als der Magistrat schwieg, gewann der nüchterne, wißbegierige Teil seines Verstandes die Oberhand und ließ in Sano die Frage aufkeimen, weshalb Ogyū eigentlich so sehr darauf bedacht war, daß die Nachforschungen eingestellt und die Nius beschwichtigt wurden.
    »Die Nius haben mich in Ehren und mit Anstand empfangen«, sagte er tapfer. Trotz Ogyūs Mißfallen war Sano nach wie vor der Meinung, daß er richtig gehandelt hatte, die Nius zu befragen. Er bedauerte lediglich, so wenig erfahren zu haben. »Ich hatte nicht den Eindruck, daß Fürstin Niu sich gestört fühlte oder verärgert war. Warum sollte sie auch? Ich habe nur einige Fragen gestellt, und die Fürstin und ihr Sohn haben mir sie gern beantwortet. Außerdem … aus welchem Grunde sollten die Nius etwas gegen Nachforschungen einzuwenden haben, falls Yukiko ermordet wurde? Müßten sie dann nicht viel eher den Wunsch haben, mit uns zusammenzuarbeiten, damit der Mörder gefaßt wird? Müßten sie nicht der Familienehre wegen Gerechtigkeit wünschen – Vergeltung?«
    »Falls Yukiko ermordet wurde, yoriki Sano.«
    Ogyūs Widerstand erinnerte Sano an irgendeine Bemerkung, die Wisterie in der vergangenen Nacht gemacht hatte: »Bloß keine Nachforschungen! Es könnte ja Arbeit für dich und deine Vorgesetzten bedeuten oder Ärger mit der Familie dieses Mädchens, wer sie auch gewesen sein mag.« Sano fragte sich, ob die Nius einen Grund hatten, sich gegen die Nachforschungen über Yukikos Tod zu wehren. Oder zu verhindern, daß der Mörder gefaßt wurde.
    Aber falls dem so war – weshalb? Sano versuchte, sich diesen Gedanken zu verschließen. Er wollte glauben, daß seine Vorgesetzten sich nur von höchsten moralischen Prinzipien leiten ließen. Gewiß wollten die Nius und Magistrat Ogyū lediglich den Skandal vermeiden, der unweigerlich war, falls allgemein bekannt wurde, daß Yukiko sich durch einen shinjū das Leben genommen hatte. Das war alles. Doch Sanos Zweifel blieben, wie ein Übelkeitsgefühl seiner Seele.
    »Yukiko und Noriyoshi haben sich von eigener Hand das Leben genommen«, sagte Ogyū soeben. Seine Stimme war jetzt ruhig, und sein Gesicht hatte wieder die gewohnte Blässe angenommen. Doch noch immer redete er mit ungewohnter Direktheit, als wollte er das Risiko vermeiden, daß Sano ihn mißverstehen könnte. »Die Art und Weise ihres Todes läßt es deutlich erkennen. Ebenso der Abschiedsbrief. Ich wünsche keine weitere Diskussion in dieser Angelegenheit. Und nun möchte ich Euch das Versprechen abnehmen, die Nius nie wieder zu belästigen. Ihr werdet mir versprechen, Eure Zeit nicht mehr damit zu vergeuden, irgendwelchen Hirngespinsten nachzujagen.«
    Sano nahm allen Mut zusammen, um einen letzten Versuch zu wagen. Er holte tief Luft und sagte: »Magistrat Ogyū. Ich bin sicher, daß Yukiko und Noriyoshi ermordet wurden! Ich habe sogar einen Tatverdächtigen.« Er wußte, daß seine Worte zu forsch und respektlos waren, doch er konnte sie nicht zurückhalten. »Ich bitte Euch, laßt mich die

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