Der Klang Deiner Gedanken
verweigert uns jeden Spaß, klingt immer so heilig mit seinen ganzen Bibelzitaten, und dabei lügt er uns die ganze Zeit an. Er ist doch der größte Heuchler von allen.“
Walt zuckte zusammen. Wie viel Schaden seine kleine Lüge anrichtete? Den größtmöglichen – er brachte Gott dadurch in Verruf.
„Kommt, Leute“, sagte Cracker. „Wir hauen ab.“
Walt wandte den Blick ab, damit er die Abscheu in den Gesichtern seiner Crew nicht sehen musste. Er hatte ihre Reaktion verdient, aber das machte es nicht leichter. Erschöpft zog er die Bettdecke bis zum Kopf hoch und rollte sich auf die Seite. J.P. saß immer noch auf dem Bett neben ihm. Der Druck in Walts Brust ließ etwas nach. Er lächelte müde. „Wow. Das war hart.“
J.P. strich über die blauen und goldenen Paspeln auf seiner Feldmütze. „Weißt du, in meinem letzten Brief habe ich meiner Mom geschrieben, dass es niemanden gibt, den ich so bewundere wie Walter Novak. Ich habe ihr geschrieben, dass ich so werden will wie du: aufs College gehen, Ingenieur werden, von allen respektiert und geachtet werden.“ Er richtete den Blick in die Ferne.
Walt seufzte. Den Respekt dieses Freundes hatte er auch verloren.
„Das erinnert mich an einen Satz, den du uns einmal gesagt hast“, sagte J.P. „Unehrlichkeit hat immer ihren Preis.“
Kapitel 32
Riverside, 14. Februar 1943
„God of Our Fathers“ klang mit den Trompetenstößen auf der Orgel der St. Timothy’s natürlich gewaltiger. Aber Allie gab sich am Klavier der Groveside Bible Church alle Mühe, gewaltige Akkorde zu spielen.
Die Gemeinde sang aus voller Kehle. Nach dem Lied war Seufzen und Schniefen aus den Reihen zu vernehmen; für Allie mehr Genugtuung als tosender Applaus.
Ob Baxter den Unterschied zwischen der verstaubten Liturgie der St. Timothy’s und dem lebendigen Gottesdienst in Groveside spürte? Allie sah verstohlen auf ihren Verlobten, der mit seinem makellosen dunkelblauen Nadelstreifenanzug und einem höflichen Lächeln in der dritten Reihe saß.
Still setzte sie sich wieder neben ihn. Sie konnte kaum glauben, dass sie ihn hatte überreden können, hierherzukommen. Sie hatte ihm erklärt, dass sie extra ein Stück für den Gottesdienst eingeübt hatte und sich ihren Verlobten an ihrer Seite wünschte. Und zu ihrer Überraschung war er darauf eingegangen.
Wenn Gott darauf bestand, dass sie einen Christen heiratete, musste Baxter eben Christ werden – und zwar bald. Bitte, lieber Gott, mach, dass die Predigt ihn berührt.
Baxter saß gerade, den Hut auf dem Schoß, den Kopf leicht geneigt wie ein Gentleman. Als Allie versuchte, die Kirche durch Baxters Augen zu sehen, wurde sie noch nervöser. Zum ersten Mal seit Monaten fiel ihr auf, wie heruntergekommen es hier drin aussah und wie unmodisch die Gottesdienstbesucher gekleidet waren. Sie hörte plötzlich die näselnde Aussprache des Pastors und die ständigen Amens um sie herum. Sie spürte die schäbigen Sitzkissen und die direkte Sonne, die nicht durch Buntglasfenster hereinglitzerte.
Konnte Baxter das Wort Gottes überhaupt hören, wenn er gegenüber seinen Überbringern lauter Vorurteile hatte? Und wenn er in Groveside nicht zuhörte, wo dann? Bestimmt nicht in St. Timothy’s.
Und was war mit ihr? Sie hatte ihn in fünf Jahren nicht bekehrt – fünf Jahre, in denen er angeblich um sie geworben hatte. Wieso sollten die nächsten fünf Monate den Erfolg bringen?
Und nach der Hochzeit? Allie merkte, wie Tränen in ihr aufstiegen, und riss schnell die Augen weit auf, um sie zu trocknen.
„Liebt einander, dient gemeinsam unserem Herrn und er wird eure Ehe segnen“, hatte Walt in seinem letzten Brief geschrieben. Er war randvoll mit Glückwünschen und guten Worten gewesen, obwohl er aus dem Lazarett kam. Walt war so ein guter Freund.
Sie musste endlich aufhören, an Walt zu denken. Es ging nicht um Walt. Es ging um sie und Baxter und Gott. Aber Walts Satz ging ihr nicht aus dem Kopf. Zwischen ihr und Baxter gab es keine Liebe und Baxter hatte mit Gott nichts am Hut; gemeinsam Gott zu dienen war eine reine Wunschvorstellung.
„Allie“, flüsterte Baxter. Er stieß sie an und deutete in Richtung Klavier.
Stille. Pastor Morris lächelte Allie von der Kanzel aus an. Sie hatte das Stichwort zum Schlusslied verpasst. „Jung und verliebt möchte man sein“, sagte der Pastor.
Wohlwollendes Lachen begleitete Allie zum Klavier. Sie verspielte sich bei den einfachsten Akkorden. Verliebt? Wenn sie nur wüssten.
Nach dem
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