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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
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anzuziehen?“
    „Ich?“ Allie sah verwirrt auf Helens blonden Hinterkopf.
    „Och, bitte“, flehte Dorothy. „Ist doch perfekt, dass du gerade zu Besuch bist.“
    „Du hast doch das Kleid von meiner Hochzeit dabei“, warf Betty ein.
    Das morgige Hochzeitsfoto schoss Allie durch den Kopf – Walt würde es garantiert sehen. Würde er es so interpretieren, dass sie sich nach ihm verzehrte? Und krampfhaft versuchte, sich in seinen Freundeskreis einzuschleichen? „Tut mir leid, aber ich habe Louise versprochen, morgen bei ihr einzuziehen.“ Noch während sie es sagte, merkte Allie, dass sie mit dieser Ausrede nicht durchkommen würde.
    „Aber zur Trauung bist du doch hoffentlich noch da“, sagte Dorothy.
    Betty gab ihr ein Zeichen und Allie beugte sich zu ihr herunter. „Er weigert sich, das Krankenhaus zu verlassen. Du hast also nichts zu befürchten“, flüsterte sie.
    Allie lächelte ihre verschwiegene Freundin dankbar an. Dann umarmte sie Dorothy. „Wie könnte ich so eine Ehre ausschlagen?“

Kapitel 47
    Antioch
    Samstag, 3. Juli 1943
    So hatte sich Walt seine Heimkehr nicht vorgestellt.
    Dr. Sutherland war zum Glück wegen einer Notoperation länger geblieben, aber bis Walt ihn gefunden und erfolgreich davon überzeugt hatte, dass er nicht verrückt war, und bis der Arzt seine Unterschrift unter die Papiere gesetzt hatte, war es viel zu spät gewesen, um seine Eltern noch anzurufen. Heute Morgen war niemand ans Telefon gegangen, und jetzt war das Haus völlig verlassen.
    Walt warf den Seesack auf sein Bett und sah sich in seinem Zimmer um. Ein Jahr war er nicht hier gewesen. Von der Decke hingen Modellflugzeuge, unter anderem eine Sopwith Camel und ein Fokker Dreidecker. Wie oft hatte er sich ihr glanzvolles Duell vorgestellt? Jetzt wusste er, wie der Luftkampf war. Er hatte nichts Glanzvolles, sondern brachte nur Schrecken und Tod.
    Die Stille summte ihm in den Ohren. Auch gut. Er musste ohnehin Allie finden und seine Familie hätte ihn nur wertvolle Zeit gekostet.
    Walt ging wieder nach unten und setzte seine Schirmmütze auf. Die Ausgehuniform fühlte sich nach zweieinhalb Monaten in Nachtzeug ungewohnt an. Und schwerer, dank der ganzen Ehrenzeichen an seiner Brust – der Bandschnalle des Kriegsschauplatzes Europa, der Fliegermedaille mit drei Eichenlaubblättern für mehr als zwanzig Einsätze, und der Flieger-Ehrenmedaille für den heldenhaften Einsatz über Romilly. Nach Bremen waren das Verwundetenabzeichen dazugekommen und die renommierteste Auszeichnung, der Silver Star.
    Aber was nützten die ganzen Medaillen, wenn Allie merken würde, was er getan hatte? Er öffnete schwungvoll die Eingangstür und ging über die Straße zu George und Bettys Haus. Egal. Er musste diese Lüge endlich loswerden.
    Wie lautete wohl ihre Version der Geschichte? Alles, was er definitiv wusste, war, dass irgendwas mit Baxter war und sie zumindest genug für Walt empfand, um ihn im Krankenhaus zu besuchen. Darüber hinaus waren die Möglichkeiten unbegrenzt.
    Vielleicht war sie ja doch zu haben? Vielleicht würde sie ihm ja vergeben? Und sich womöglich sogar in ihn verlieben? Walt brummte entnervt und klingelte bei George. Vielleicht war ihm das Blei wirklich zu Kopf gestiegen?
    Er wartete. Der Puls hämmerte ihm im Ohr. Niemand. Wo zum Teufel war Allie?
    Walt suchte die Umgebung mit den Augen ab. Er kannte hier jeden Winkel, und trotzdem fielen ihm an den Häusern hinter den großen Platanen, Eichen und Ahornbäumen einzelne Details auf – ein zwitschernder Vogel im Pflaumenbaum, der rote Briefkasten der Anellos am Straßenrand, das neu gedeckte Dach der Jamisons.
    Wo würden George und Betty an einem Samstagnachmittag hingehen? Im Laufschritt überquerte er wieder die Straße, aber auch bei den Jamisons war niemand. Zurück auf die andere Seite – keine Carlisles. Ein paar Häuser weiter – keine Spur von Georges Eltern. Schräg gegenüber niemand bei den Waynes.
    „Wo sind denn bloß alle?“ Walt ballte die linke Hand zur Faust. „Also schön, Herr, wie soll ich denn mit Allie reden, wenn ich sie nicht finden kann?“
    * * *
    Als Allie Ray am Abend zuvor zum ersten Mal gesehen hatte, hätte sie ihn bis auf das hübsche Lächeln nicht für Walts Bruder gehalten. Aber jetzt, wo sie ihn von vorn in der Kirche aus dem Augenwinkel beobachtete, erinnerten sie seine muskulöse Statur in der Air Force-Uniform und die Art, wie er stand und sich bewegte, doch an Walt. Eine Sehnsucht, die sich wie Heimweh

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