Der Klang Deiner Gedanken
saftiger Klatsch und Tratsch –, und Allie wusste, das es das Beste wäre, ihn zu ignorieren, aber ... „Was für ... was für Gerüchte?“
„Ach, du weißt schon. Die Männer in der Fabrik sind ja der Meinung, es wäre gar kein Gerücht, sondern die nackte Wahrheit. Du weißt doch, wie Mr Hicks läuft, wie er die Männer beobachtet, wie er lieb Freund ist mit Mr ... also, deinem Vater, aber das wird wohl mehr beruflicher Ehrgeiz sein als ... na ja, du weißt schon.“
„Nein. Nein, weiß ich nicht.“ Allie schüttelte energisch die Seifendose.
Josie beugte sich vor. Ihre Schönheit war wie weggeblasen. „Weißt du nicht, dass man überall sagt, er wäre ... ähm, homosexuell?“
„Wie bitte?“ Allie richtete sich ruckhaft auf.
Josie presste die Lippen aufeinander. Ihre Augen funkelten hämisch. „Du weißt gar nicht, was das ist, oder?“
„Ich weiß sehr wohl, was das ist. Und ich versichere dir, Mr Hicks ist definitiv nicht … das, was du sagst.“ Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, hochnäsig zu sein. „Meinem Vater wird es überhaupt nicht gefallen, wenn er hört, dass in seiner Fabrik so scheußliche Gerüchte die Runde machen.“
Josies Gesicht wechselte von einer Farbe zur nächsten, von denen ihr aber keine gut stand. „Ich ... ich lasse dich dann jetzt allein.“
„Eine weise Entscheidung“, sagte Allie so majestätisch, wie sie konnte.
Nachdem sie allein war, tauchte sie den Schwamm in den Seifenschaum und versuchte, sich den Kopf frei zu schrubben, aber die Zweifel blieben hartnäckig.
War das der Grund, warum Baxter sie nie voller Begehren ansah? Warum er sie nur flüchtig küsste? Warum er sie nicht liebte?
Nein, das konnte nicht sein. Wenn Josie recht hatte und er das war, was sie sagte, dann hätte er nie und nimmer eine Freundin und würde auch nicht ans Heiraten denken.
Gerade und schiefe Töne prallten aufeinander, als würde in ihrem Kopf ein Kind wild auf einem Klavier herumklimpern. Was, wenn Baxter sie nur benutzte – nicht nur wegen des Erbes, der sozialen Stellung und der Gunst ihrer Eltern, sondern auch um die Gerüchte zu entkräften und seinen Ruf zu wahren?
Nein, das konnte nicht sein. Die einfachen Fabrikarbeiter konnten einfach mit gehobenen Manieren nichts anfangen und hielten sie für weibisches Verhalten.
Aber warum rissen dann ihre Tränen tiefe Krater in den Seifenschaumberg? Oh Herr, lass es nicht wahr sein. Sie schrubbte fester. Das Wasser schwappte hoch und ihre Ärmel wurden nass. Es war ihr egal.
Allie zwang sich dazu, sich auf den restlichen Tagesablauf zu konzentrieren. Wenn diese Aufgabe erledigt war, würde sie wieder auf die Krankenstation zurückkehren. Die Zeit reichte noch, um mit Lieutenant Duncan das Kapitel fertig zu lesen, bevor sie im Aufenthaltsraum gebraucht wurde.
„Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen ...“
Mit einem Stöhnen ließ sie das Wasser aus dem Spülbecken. Herr, du weißt, dass ich Baxter heiraten muss. Das ist das Beste für alle. Und bei solchen Gerüchten ist es auch lebenswichtig für Baxters Ruf. Und vergiss nicht, Herr, ich mache das für dich, damit er dich kennenlernt.
Sie scheuerte die nächste Bettpfanne blank. Trotzdem kam sie nicht zur Ruhe. Wieso blieb dieses ungute Gefühl? Warum kam die Frage nach der Ehe mit einem Ungläubigen immer wieder hoch? Wieso hatte sie den Eindruck, Gott gefiel ihr Opfer gar nicht?
* * *
„Du meine Güte, Allie, du bist ja nass bis auf die Knochen.“
„Ist nicht so schlimm.“ Sie schlüpfte aus dem Regenmantel und hängte ihn auf die Garderobe im Flur. „Ich habe meinen Schirm vergessen.“
„Das sieht man.“ Mutter strich ihr eine tropfende Strähne aus dem Gesicht. „Aber wieso hast du nicht wenigstens die Kapuze aufgesetzt?“
Allie schüttelte den Kopf. Sie konnte die Frage nicht beantworten. Der Regen hatte sich einfach richtig angefühlt, hatte ihr in den Augen gebrannt, die Haare zerzaust und den Kopf freigewaschen.
„Hoffentlich hast du dir nichts weggeholt. Dieses Krankenhaus macht dich noch ganz fertig.“ Mutter setzte einen strengen Blick auf und tätschelte Allies Wange. „Und nun komm, raus aus diesen nassen Sachen. Ach, du hast übrigens Post.“
„Post? Für mich?“ Allie lief schnell zu dem kleinen Tisch im Flur. Da war einiges gekommen – ein Brief von Betty Anello, einer von Louise Morgan und drei von Walt. Gleich drei – wie schön. Obwohl Walt regelmäßig schrieb, kam seine Post immer stoßweise.
„Die können
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