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Der Klang der Zeit

Der Klang der Zeit

Titel: Der Klang der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Powers
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hatte, so sehr hatte sie mich geliebt. Sie lachte, und auch bei diesem Laut konnte ich hören, wie er zerbrach, sah, wie das Unkraut darüber wucherte.
    »Teresa. Terrie. Ich habe ein merkwürdiges Telegramm bekommen. Von Milton Weisman ...« Ich konnte kaum sprechen, so sehr irritierte es mich, wie meine eigene Stimme zurückfederte wie ein aus dem Rhyth-mus geratener Kontrapunkt.
    »Joseph, ich weiß. Ich habe ihn gebeten, dir zu schreiben. Es tut mir so Leid. Es ist schrecklich.«
    Ihre Worte waren pure Dissonanz. Ich konnte keine Tonart bestimmen. Ich zwang mich zu warten, damit unsere Worte nicht im Satellitenecho zusammenprallten. »Was ist geschehen? Das schreibt er nicht.«
    Ich hörte, wie sie stutzte. Dann wendete sie, ein schwerer Frachter, der zurückkommt, um mich aus dem Wasser zu fischen. »Deine Schwester. Sie hat mich angerufen. Stell dir das vor. Sie muss sich meinen Namen gemerkt haben von ...« Von damals, als ich die beiden nicht miteinander bekannt gemacht hatte. Wie in einer Zeitkapsel kamen die Tränen, Tränen darüber, dass eine Frau, die Teresa einmal hatte lieben wollen, schließlich doch noch zu ihr gekommen war.
    »Ruth?« Nur eine Silbe, und schon war Jonah, der im Sessel gesessen und zugehört hatte, bei mir am Hörer. Ich streckte die Hand aus, hielt ihn auf Distanz. »Was ist geschehen. Ist sie ...?«
    »Ihr Mann«, schluchzte Teresa. »Es ist so schrecklich. Sie sagen, er        war ... Er hat es nicht geschafft, Joseph. Er ist nicht mehr ... Er hatte überhaupt keine ...«
    Robert. Die Woge der Erleichterung – Ruth noch am Lehen – schlug über mir zusammen: Robert tot. Ein Peitschenhieb, der mir den Atem raubte. Teresa sprach schon weiter, bevor ich wieder hören konnte. Sie erklärte mir, was geschehen war, aber ich musste es mir immer und immer wieder erklären lassen. Bis heute. Sie erzählte es in allen Einzelheiten, Details, die sie unmöglich wissen konnte und die mir nichts bedeuteten.
    Ich muss ihr ins Wort gefallen sein. »Gibt es eine Möglichkeit, sie zu erreichen?«
    »Ja.« Sie war atemlos, verlegen. Nun gehörte sie doch noch zur Familie. »Sie hat mir eine Nummer gegeben, für den Fall ... Warte.« Und in den Sekunden, die Teresa brauchte, um ihr Adressbuch zu holen, lebte ich all die Leben, die mein eigenes mir ausgetrieben hatte. Ich saß reglos da und wartete. Robert Rider war tot. Der Mann meiner Schwester – erschossen. Ruth tauchte aus dem Nichts auf, weil sie wollte, dass ich es erfuhr. Sie hatte mich bei der Frau gesucht, die immer wissen würde, wo sie mich finden konnte, der Frau, bei der Joseph, treu wie er war, sein Leben lang bleiben würde. Dabei hatte ich diese Frau schon vor Jahren aus meinem Gedächtnis verbannt.
    In den Sekunden, die ich auf Teresa wartete, kam sie mir unendlich großherzig vor, unendlich verletzlich. Ich hatte ihr so wehgetan, dass es kaum in Worte zu fassen war, und trotzdem war sie jetzt wieder für mich da und wollte helfen. Alles Gute ging verloren. Je mehr der Tod bekam, desto gefräßiger wurde er. Was ist schon das Leben? Gerade einmal eine Hand voll Wochen. Das Beste, was wir haben, zerbricht, oder wir werfen es gedankenlos fort. Teresa kam wieder an den Apparat und diktierte mir eine Nummer. Ich schrieb sie auf, ohne hinzusehen. Ich hatte vergessen, wie ellenlang amerikanische Telefonnummern waren. Wir gingen sie noch einmal durch, Teresa korrigierte meine Fehler, und dann waren wir fertig.
    »Ich liebe dich«, sagte ich zu ihr. Und bekam als Antwort ein Schweigen. Ich hätte alles Mögliche erwartet, aber damit hatte ich nicht gerechnet. »Teresa?«
    »Es ... tut mir so Leid, Joseph. Ich habe sie ja nicht mal gekannt. Ich wünschte, ich hätte sie kennen gelernt. Aber mir ist zumute, als wäre es mein eigener ...« Als sie die Stimme wieder fand, zwang sie sich zu einem munteren Ton. »Weißt du eigentlich, dass ich verheiratet bin?« Ich brachte nicht einmal einen überraschten Laut zustande. »Da staunst du, was? Mit Jim Miesner. Ich weiß nicht, ob ihr euch mal begegnet seid.« Der Mann mit der Schmalztolle, mit dem ich sie zum ersten Mal in der Bar gesehen hatte, mein Vorgänger. »Und ich habe ein wunderschönes kleines Mädchen! Sie heißt Danuta. Ich wünschte, du könntest sie sehen.«
    »Wie – wie alt ist sie?«
    Sie zögerte. Nicht die Verzögerung von Satelliten. »Fünf. Na, fast sechs.« Ihr Schweigen hatte etwas von Abwehr. Aber jeder hat das Recht zu leben, wie gut für ihn ist. »Ich ... habe

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