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Der Klang der Zeit

Der Klang der Zeit

Titel: Der Klang der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Powers
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er Recht.
    Thad und Earl ließen nicht locker. »Was will sie von dir, Strom Zwo ?«
    »Will?«
    »Du weißt schon. Habt ihr darüber gesprochen? Was erwartet sie?«
    »Was redet ihr denn da? Sie wird doch schon rot, wenn wir uns auf dem Flur begegnen.«
    »M-hm«, sagte Thad. »Und was verrät uns das?«
    »Zeit für ein Heim zu zwein«, stimmte Earl ihm zu und sang die Silben wie einen synkopierten Bebop.
    »Besser, du suchst dir einen anständigen Job, Strom Zwo. Kommt ja einige Verantwortung auf dich zu.«
    Kurz vor Thanksgiving kaufte ich in einem Drugstore in der Massachusetts Avenue ein Armband für Malalai Gilani. Ich studierte alles, brauchte Stunden, bis ich mich für eine schlichte Silberkette entschieden hatte. Sie kostete vier Dollar und elf Cents – mehr als ich je in meinem Leben für etwas bezahlt hatte, außer für meine geliebten Taschenpartituren und eine Plattenkassette mit Beethovens Klavierkonzerten.
    An der Kasse zitterten meine Hände so sehr, dass die Kassiererin lachen musste. »Mach dir keine Sorgen, Junge. Sobald du zur Tür raus bist, weiß ich nicht mehr, dass du da warst.« Noch jetzt, nach einem halben Jahrhundert, höre ich ihre Stimme.
    Ich schob den Tag, an dem ich es Malalai überreichte, hinaus. Zuerst musste ich es meinem Bruder erzählen. Aber auch nur die Sprache auf Malalai Gilani zu bringen schien schon wie Verrat. Ich wartete bis zu einem Abend, an dem Thad und Earl nicht da waren; sie waren im Common Room zu einem Jazzkonzert. Jonah und ich saßen allein in unserer Zelle. »Hast du schon überlegt, was du Kimberly zu Weihnachten schenkst?«
    Jonah fuhr hoch. »Weihnachten? Was haben wir denn für einen Monat? Himmel, Joey. Musst du mir so einen Schrecken einjagen?«
    »Ich habe die Tage ein Armband gekauft ... für Malalai.« Ich blickte auf und wartete nur, was als Strafe kommen würde. Kein anderer konnte die Größe meines Verrats ermessen.
    »Malalai?« Ich sah mein enttäuschtes Gesicht, gespiegelt in seinem. Er zuckte mit den Schultern. »Lass mal sehen.«
    Ich reichte ihm das weiße Schmuckkästchen, ein eckiges Ei. Er blickte hinein, verzog keine Miene. »Ist doch prima, Joey. Das wird ihr bestimmt gefallen.«
    »Meinst du? Es ist nicht zu ...?«
    »Das ist perfekt. Genau das Richtige. Aber pass auf, dass euch keiner sieht, wenn du es ihr gibst.«
    Es dauerte noch Tage, bis ich mein Präsent endlich überreichte. Ich schleppte es mit mir herum wie eine Sträflingskette. Ich begegnete ihr auf dem Schulhof, noch lange vor dem Feiertag, aber es war mit Abstand die beste Chance, die ich bekommen würde. Eine unsichtbare Hand würgte mich. Es war eine Aufregung, schlimmer als jedes Lampenfieber. »Ich habe dir ... was gekauft.«
    Sie nahm es aus meinen zitternden Händen mit einem Gesicht auf halbem Wege zwischen Freude und Furcht. »So was hat mir noch keiner geschenkt.«
    »Du weißt doch noch gar nicht, was es ist.«
    Malalai öffnete das Kästchen, mit entsetzlich atemloser Erwartung. Sie stieß einen kleinen Schrei aus, als sie das Silber blitzen sah. »Das ist wunderschön, Joseph.« Das erste Mal, dass sie meinen Namen gesagt hatte. Halb war ich stolz, halb verging ich vor Scham. Sie hielt das Armband in die Höhe. »Oh!«, sagte sie. Und da wusste ich, dass ich es verdorben hatte.
    Ich nahm das Schmuckstück. Ich fand, es sah makellos aus, genau wie im Drugstore.
    »Da steht kein Name drauf.« Sie senkte den Blick, mein Blitzkurs in Intimität. »Es ist doch ein Freundschaftskettchen. Da gehört ein Name dazu.«
    Auf den Gedanken war ich nie gekommen. Und die Verkäuferin hatte nichts gesagt. Mein Bruder hatte nichts gesagt. Ich war ein armseliger Trottel. »Ich ... ich wollte erst sehen, ob es dir gefällt. Bevor ich deinen Namen draufschreiben lasse.«
    Sie lächelte, auch wenn sie sich bei meinen Worten wand. »Nicht meinen Namen.« Wahrscheinlich hatte sie es aus den Illustrierten. Sie wusste mehr über mein Land, als ich jemals wissen würde. Mein Name sollte mit Ketten an sie gebunden sein bis zum Jüngsten Tag. Und ich hatte nichts getan. Nichts Falsches.
    Malalai legte sich das blitzende Band um ihr fast schwarzes Handgelenk. Sie spielte mit dem leeren Namensfeld, dessen Bestimmung nun so offensichtlich war, sogar für mich.
    »Ich lasse es noch gravieren.« Das Geld konnte ich mir von Jonah leihen, zumindest für J-O-E.
    Sie schüttelte den Kopf. »Mir gefällt es, wie es ist, Joseph. Das ist schön so.«
    Sie trug ihr namenloses Armband wie einen

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