Der Klang des Herzens
Unterrichten liegt dir nicht. Aber mir scheint das, was du da vorhast, so extrem. Was halten denn die Kinder davon?«
»Denen geht’s gut«, antwortete sie automatisch.
»Aber es ist unser Haus. Daddys Haus«, hatte Kitty gejault. »Du hast mir versprochen, dass du das hinkriegst.«
Isabel wunderte sich selbst, wie gefasst sie alles hinnahm. Laurent würde mir verzeihen, redete sie sich ein. Er würde nicht wollen, dass ich mich von meiner Geige trenne, die ich von ihm geschenkt bekommen habe, nicht nach allem, was ohnehin schon geschehen ist. »Wieso triffst du eigentlich
hier alle Entscheidungen? Diese Familie besteht schließlich aus drei Personen.« Kitty war angesichts dieser schreienden Ungerechtigkeit ganz rot angelaufen. »Warum können wir nicht das neue Haus verkaufen? Das muss doch eine Menge wert sein.«
»Weil … weil wir dann Erbschaftssteuer zahlen müssten. Und trotzdem noch Schulden hätten. Es ist viel weniger wert als unser Haus. Außerdem gehört das, was wir für unser Haus kriegen, uns und nicht dem Finanzamt.« Etwas versöhnlicher fuhr sie fort: »Ich erwarte ja gar nicht, dass ihr das versteht, Kitty, aber euer Vater … er hat uns kein Geld hinterlassen. Schlimmer als das. Um überleben zu können, müssen wir dieses Haus verkaufen. Es wird schon nicht so schlimm werden. London ist nicht aus der Welt, du kannst deine Freunde besuchen. Und unser neues Haus ist groß – sie können kommen und bei uns bleiben. In allen Schulferien, wenn du willst.«
Was Thierry dachte, zeigte er nicht.
»Ihr Lieben, wir haben einfach kein Geld mehr. Wir müssen umziehen«, hatte sie noch einmal versucht, Kittys Verständnis zu gewinnen.
»Na, ich finde jedenfalls, du machst einen Fehler«, sagte Fionnuala, tauchte ihr Ciabattabrötchen in eine Schale Olivenöl und wischte damit ihren Teller leer. »Du hast dich noch nicht erholt und solltest keine so umwälzenden Entscheidungen treffen.«
Marys Reaktion war ähnlich ausgefallen. Aber Isabel musste das jetzt tun. Wenn nicht, würde sie vielleicht einfach zusammenbrechen. Das Haus bot einen pragmatischen Ausweg. Es war die einzige Möglichkeit, etwas von ihrem Leben zu retten, es nicht völlig von dem schrecklichen Verlust unterhöhlen zu lassen. In ganz besonderen Momenten stellte sie sich vor, dass Laurent ihr das Haus geschickt hatte, um die Sache mit seinen Schulden wieder wettzumachen. Kinder sind anpassungsfähig,
sagte sie sich fast täglich. Denk an die Kinder von Flüchtlingen, von Diplomaten oder Soldaten. Die müssen doch auch ständig umziehen. Im Übrigen würde dieser Umzug, diese Luftveränderung, ihren beiden vielleicht sogar guttun. Und ihr auch.
»Soweit ich gehört habe, muss das Haus modernisiert werden«, hatte der Anwalt gesagt.
Sie hatte ihn persönlich aufgesucht, weil sie es kaum glauben konnte und für irgendeinen Trick gehalten hatte. »Mein Großonkel hat dort gewohnt. So schlimm kann es ja wohl nicht sein«, hatte sie geantwortet.
»Nun ja, ich weiß nicht mehr als das, was hier in den Unterlagen steht«, hatte er gesagt. »Meinen Glückwunsch. Es scheint eins der besseren Häuser in der Gegend zu sein.«
Sie war die einzige noch lebende Verwandte. Das Haus war ihr nur aufgrund dieser Intestaterbfolge zugefallen.
»Du hast lange genug gebraucht, um es bis zur ersten Geigerin zu schaffen. Und du bist verdammt gut«, sagte Fionnuala. »Außerdem, wie willst du dort draußen im Nirgendwo einen anständigen Mann kennenlernen?«
»Wer sagt, dass ich das will?«
»Jetzt vielleicht noch nicht, aber irgendwann … Hör zu, ich wollte damit nicht sagen …«
»Nein«, entgegnete Isabel fest. »Für mich gab es nur Laurent. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass je …« Ihre Stimme brach. Sie riss sich zusammen. »Es ist ein Neuanfang«, sagte sie mit fester Stimme. »Dieses Haus ist ein neuer Anfang für uns.«
»Na ja, so was ist wichtig, schätze ich«, räumte Fionnuala gnädig ein. Sie drückte Isabels Arm. »Mist, ich muss zurück. Sorry, Isabel, aber Burton dirigiert, und du weißt ja, wie ätzend er werden kann, wenn man nicht pünktlich ist.«
Als Isabel nach ihrem Geldbeutel griff, sagte Fionnuala rasch: »Ach nein, das übernehme ich. Bin grade mal flüssig,
weil wir morgen einen Filmscore aufnehmen. Vier Stunden rumsitzen für vierzig Minuten spielen. Hab neulich mal ausgerechnet, was das pro Note macht. Enorm, kann ich dir sagen.« Sie warf ein paar Scheine auf die Rechnung. »Kannst mir ja was Schönes
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