Der Klang des Herzens
kochen, wenn ich euch besuchen komme. Ein paar Wachteln schießen. Mich mit deinem frisch gewachsenen grünen Daumen überraschen.«
Sie beugte sich über den Tisch und umarmte ihre Freundin. Dann richtete sie sich auf und blickte Isabel forschend an. »Wann, glaubst du, wirst du wieder spielen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Isabel. »Wenn die Kinder wieder … glücklich sind. Aber es sind ja bloß zwei Stunden mit dem Zug. Nicht gerade die Äußeren Hebriden.«
»Gut, aber beeil dich. Du fehlst uns. Du fehlst mir . Der Typ, der deinen Posten übernommen hat, ist unmöglich. Spielt mit gesenktem Kopf und erwartet von uns, dass wir riechen, was wir tun sollen. Wir glotzen ihn ständig an und hoffen, dass er sich vielleicht in Zeichensprache mit uns verständigt.«
Erneut umarmte sie Isabel. »Ach, Isabel, das wird schon! Das mit dem neuen Haus und allem. Tut mir leid, dass ich vorhin so kontra war. Ich bin sicher, du tust das Richtige.«
Ich auch, dachte Isabel und schaute ihrer Freundin nach, die mit ihrem Geigenkasten unter dem Arm durch die zweiflügelige Tür verschwand.
Das Richtige für uns alle.
Und manchmal glaubte sie es sogar.
VIER
H enry stupste Asad an und deutete verstohlen auf seine Uhr. Mrs Linnet suchte jetzt schon seit dreiundzwanzig Minuten nach dem richtigen Tee. Eine neue persönliche Bestleistung. »Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?«, erkundigte er sich liebenswürdig von seinem Platz hinter der Theke.
Sie unterbrach ihre Selbstgespräche, die sie in nicht nachvollziehbarer Reihenfolge über verschiedene Themen führte, darunter Überwachungskameras, Kücheneinrichtungen mit Arbeitsplatten aus Granit, das schlimme Bein ihres Nachbarn und eine Frau, für die sie einmal geputzt hatte und deren Unfruchtbarkeit sie auf das Tragen von zu engen Strümpfen zurückführte. »Ich kenne mich nicht aus mit diesen Teebeuteln für hartes Wasser. Kann man die nur dann verwenden, wenn man hartes Wasser hat? Ich weiß, bei uns gibt’s jede Menge Kalkstein. Mein Kessel ist ganz voll davon.«
»Kalkstein? Das klingt nicht gut«, bemerkte Asad.
»Ist aber gut für die Oberarmmuskeln«, sagte Henry, der sich mühsam das Lachen verkniff.
Der Regen prasselte immer lauter aufs Dach; es tat einen Donnerschlag, und alle drei zuckten zusammen.
»Ich wollte uns gerade einen Tee machen – für Sie auch, Mrs Linnet, dann können Sie unsere kalksteinfesten Teebeutel selbst testen. Das heißt, wenn Sie’s nicht eilig haben.« Henry zwinkerte Asad schelmisch zu und verschwand im Hinterzimmer.
Der Nachmittag zog sich hin. Der heftige Regen und die
Tatsache, dass im Moment Ferienzeit war, sorgten dafür, dass der Laden, bis auf ein paar ganz verzweifelte Kunden, leer blieb. Andere Ladenbesitzer schimpften über das schlechte Geschäft und über alte Stammkunden, die sich von den Billigangeboten der Supermärkte und der Aussicht auf Heimlieferservice weglocken ließen. Aber die Inhaber von Suleyman & Ross betrachteten solche Tage als willkommene Gelegenheit zu einem ausführlichen Schwätzchen mit guten Kunden. Unbelastet durch Schulden und abgesichert durch eine gute Rente, die sich jeder der beiden in langen Arbeitsjahren in London verdient hatte, hatten sie den Laden ohnehin nicht mit der Aussicht auf Gewinn eröffnet. Aber ihre günstigen Preise, das ausgefallene Sortiment und die fürsorgliche Betreuung gefielen den Leuten und hatten ihnen viele treue Kunden eingebracht. Und sie möglicherweise auch vor den Vorurteilen jener bewahrt, die sie ursprünglich vielleicht nicht gerade herzlich willkommen geheißen hätten. Mittlerweile jedoch waren sie im ganzen Dorf als »die Vettern« bekannt und beliebt – obwohl eine Verwandtschaft zwischen den beiden ganz offensichtlich ausgeschlossen war.
Die Schaufenster waren beschlagen, man konnte kaum noch in den strömenden Regen hinaussehen. Asad schaltete das Radio ein. Muntere Jazzmusik erfüllte den Raum. Mrs Linnet quietschte vor Vergnügen, und mit ihren Händen vollführte sie ein paar kokette Wackelbewegungen. »Aaah!«, rief sie aus. »Ich liiiiebe Jazz! Aber mein Kenneth kann ihn nicht ausstehen.« Sie senkte verschwörerisch die Stimme. »Findet ihn zu … stimulierend. Aber ihr seid ja, soweit ich weiß, geradezu dafür gemacht, nicht?«
Asad war viel zu höflich, um seine Pause länger als ein paar Sekunden andauern zu lassen. »Wir?«
Sie nickte. »Die Braunen. Äh …« Sie geriet ins Stammeln. »Ihr habt doch den Rhythmus im Blut. Das –
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