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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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ihre Mutter das Auto mit einem Namen anredete. Da tauchten sie plötzlich aus den Bäumen auf und holperten auf eine Lichtung. »Da ist ein Schild.« Kitty deutete darauf.
    »Vorsicht Schlaglöcher!«, las Isabel. Sie stieß ein kurzes, hysterisches Lachen aus. »Das erfahre ich jetzt!«
    »Das ist das Schild«, sagte Kitty aufgeregt. »Von dem haben sie in dem Laden geredet.«
    Isabel spähte mit schmalen Augen durch die regennasse Windschutzscheibe. Weiter links erkannte sie verschwommen ein ordentliches Haus mit Feuersteinfassade. Aber es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der Fotografie. Sie fuhr holpernd weiter, um eine waldige Biegung herum – und da war es.
    Ein dreistöckiges Backsteinhaus, halb zugewachsen mit Efeu. Auf dem Dach ragten seltsame, irgendwie nicht zueinanderpassende Zinnen auf. Der Vorgarten war so zugewachsen, dass man nur noch anhand der Buchsbaumhecke erkennen konnte, wo er aufhörte und wo die freie Natur begann. Das Haus war eine seltsame Mischung aus allen möglichen Stilrichtungen, als wäre es dem Erbauer irgendwann einfach langweilig geworden, oder er hätte etwas ausprobieren wollen, um zu sehen, wie es sich machte. Eine Mauer bestand aus dem für diese Gegend typischen Feuerstein, darüber erhoben sich, irgendwie unpassend, diese Zinnen. Hohe, elegante georgianische Fenster duckten sich unter mächtige gotische Spitzbögen.
    Isabel bog in die Auffahrt ein und hielt vor der Haustür.
    »Also, Kinder«, sagte sie, »da wären wir.«
    Auf Kitty wirkte das Haus modrig und abweisend. Sehnsüchtig dachte sie an ihr gemütliches Heim in Maida Vale mit seinen warmen Zimmern, den guten Gerüchen nach frisch zubereitetem
Essen, nach Gewürzen und Parfüm, den beruhigenden Hintergrundgeräuschen des Fernsehers. Das ist doch eine Ruine, hätte sie am liebsten gesagt, verkniff es sich aber, um ihre Mutter nicht zu verletzen. »Sieht nicht sehr spanisch aus.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, sollte es eher maurisch sein. Ach, und da ist der See! Ich hatte ihn gar nicht so groß in Erinnerung. Schaut nur!«
    Isabel nahm einen dicken Umschlag aus dem Handschuhfach und kramte darin herum. Sie nahm einen Schlüssel und einen Zettel heraus. Direkt neben dem Wagen wuchs ein riesiger Magnolienbusch, der trotz der frühen Jahreszeit bereits Blüten trug. Die prächtigen großen, weißen Blumen leuchteten wie Lampions im trüben Licht des Spätnachmittags.
    »Also, der Anwalt schreibt hier, wir hätten rund 25 Hektar verkaufen müssen, um die ganzen Erbschaftssteuern bezahlen zu können, und weitere acht, um wieder ein bisschen flüssig zu werden. Aber es bleiben uns immer noch knapp drei Hektar, dort links …« Es wurde jetzt zunehmend dunkler, und es war schwer, durch die Bäume noch etwas erkennen zu können. »… und natürlich alles bis zum See. Wir haben also den herrlichen Ausblick, den Wald und den See. Stellt euch das mal vor! Gehört alles uns, so weit das Auge reicht.«
    Na toll, dachte Kitty böse. Ein schlammiger Weiher und ein unheimlicher Wald. Hatte ihre Mutter denn keine Horrorfilme gesehen?
    »Wisst ihr, wenn Oma noch leben würde, hätte sie das alles geerbt. Er war schließlich ihr Bruder. Könnt ihr sie euch in so einem großen Haus vorstellen? Nach ihrer winzig kleinen Wohnung?«
    Kitty konnte sich, ehrlich gesagt, niemanden in diesem Haus vorstellen.
    »Das Wasser, ach! Einfach zauberhaft. Daddy hätte den See
geliebt! Er hätte … angeln gehen können …« Isabels Stimme erstarb.
    »Mum, er war noch nie fischen, in seinem ganzen Leben nicht«, entgegnete Kitty und griff sich die Abfalltüte, die im Fußraum zwischen ihren Beinen stand. »Wir sollten jetzt lieber aussteigen. Der Laster ist da.«
    Thierry zeigte auf den Wald.
    »Gute Idee, Schatz. Lauf und schau dich ein bisschen um.« Kitty konnte sehen, wie froh ihre Mutter darüber war, dass Thierry ein bisschen Interesse zeigte. »Und du, Liebes? Möchtest du auch auf Erkundung gehen?«
    »Ich helfe dir lieber erst mal alles reinzubringen«, entgegnete Kitty. »Thierry, zieh deine Jacke an, und verlauf dich nicht.«
    Knallend schlugen sie die Wagentüren zu. Mit knirschenden Schritten gingen sie über den nassen Kies auf das Haus zu.
     
    Das Erste, was ihnen nach dem Aufschließen der Tür entgegenschlug, war der Geruch. Kalt und modrig, legte er Zeugnis ab über die lange Vernachlässigung. Eine Andeutung von verstecktem Schimmel lag in der Luft, von feuchten Wänden und wurmstichigen Balken, den auch die hereinströmende

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