Der Klang des Herzens
möchte«, sagte sie schmunzelnd.
Sie standen einen Augenblick lang schweigend beisammen. Dann rannte Thierry mit einem der Hunde davon, flitzte zwischen den Bäumen hin und her.
»Sie wären überrascht, wie weit Sie gehen können«, sagte Byron, »wenn Sie keine andere Wahl haben.«
Sie gingen den Pfad entlang, der um den See herumführte und wieder zurück zum Haus. Die Sonne hatte die Erde erwärmt, und ein paar Bienen flogen summend an ihnen vorbei. Isabels Kopf schwirrte vor Ideen. Sie hängte ihre Vorräte draußen vor der Küche auf, in Körben und Tüten – Obst, Zwiebeln, eine Plastikflasche Milch. Jetzt stellte sie sich vor, wie ihr eigenes Obst und Gemüse daraus hervorquollen, wie sie selbst tüchtig am Herd stand und kochte, schälte, häutete.
»Und Sie würden es mir beibringen?«, fragte sie. »Wie man schießt?«
Das schien ihn unbehaglich zu machen. »Mit einem Luftgewehr, ja. Ich hätte diese Knarre nicht benutzen dürfen. Ich hab keinen Waffenschein. Aber ich kenne jemanden, der es Ihnen beibringen könnte, wenn Sie wollen.«
»Das kann ich mir nicht leisten«, entgegnete sie.
»Kaninchen kann man auch mit einem Luftgewehr schießen. Dafür braucht man keinen Waffenschein. Sie können sich meins ausleihen, wenn Sie wollen. Ich zeig Ihnen, wie man damit schießt.«
Jetzt ist aus der ersten Geigerin eine Pistolen schwingende Biogärtnerin geworden, überlegte Isabel später am Nachmittag.
Sie saß auf der wackeligen Gartenbank, Byrons 22er in der Hand, eine Reihe Dosen auf der Mauer, die den Garten abgrenzte, damit sie nicht versehentlich etwas erschoss. Er hatte gesagt, sie solle viel üben. Sie hob das Gewehr an die Schulter und nahm eine Dose ins Visier. Du musst sie in den Kopf treffen, hatte er gesagt. Klarer Todesschuss. Es wäre grausam, sie nur zu verwunden.
Das sind keine flauschigen Kuschelhäschen, sagte sie sich. Das ist Nahrung für mich und meine Kinder. Geld, das ich fürs Haus sparen kann. Für unsere Zukunft.
Peng! Der Schuss schallte durchs Tal. Mit einem zufriedenstellenden Knattern trafen die Schrotkörner die Dose und fegten sie von der Mauer. Sie hörte, wie ihr Sohn vortrat und ihr seine kleine Hand auf die Schulter legte. Sie wandte sich zu ihm um, und er strahlte sie an. Sie bedeutete ihm, wieder zurückzutreten.
So, das wär’s, Laurent, sagte sie sich im Stillen. Ihr schlanker weißer Finger krümmte sich erneut um den Abzug. Zeit, nach vorne zu schauen.
FÜNFZEHN
S eine Eltern hielten ihn wohl für taub. Sie hatten die Tür des Arbeitszimmers hinter sich zugemacht und kamen gar nicht auf den Gedanken, dass ihre erhobenen Stimmen im ganzen Haus zu hören waren.
»Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, Matt. Ich will doch bloß eine ungefähre Vorstellung davon haben, wann du abends nach Hause kommst.«
»Ich hab doch gesagt, das weiß ich nicht. Das kann sich ganz plötzlich von einem Tag auf den anderen ändern.«
»Aber früher hast du mir wenigstens ungefähr sagen können, wann du kommst. Und jetzt weiß ich die halbe Zeit nicht mal, wo du bist, weil du dein Handy nicht einschaltest.«
»Und wieso zum Teufel musst du wissen, wo ich jede Minute jedes Tages bin? Ich bin doch kein Kind mehr. Du willst das Spanische Haus, oder? Dann lass mich, verdammt noch mal, das nötige Geld dafür verdienen!«
Anthony sank im Wohnzimmersessel zusammen und überlegte, ob er sich die Ohrhörer reinstecken sollte.
»Warum regst du dich überhaupt so auf? Ich will doch bloß wissen, wann ich dich zu Hause erwarten kann.«
»Und ich sag dir zum hundertsten Mal, dass ich das nicht weiß. Ich könnte im Großen Haus arbeiten und auf ein Problem stoßen. Oder jemand könnte anrufen, und ich muss schnell weg. Ich muss flexibel sein, das weißt du doch genauso gut wie ich. Mann, wo hab ich die Umsatzsteuererklärung hingetan?«
Schubladen wurden aufgerissen und wieder zugeknallt.
»In die blaue Mappe, wie immer. Da.« Eine Pause. »Ich verstehe das ja, Matt, aber warum kannst du mich nicht kurz anrufen und mir Bescheid sagen? Dann kann ich meinen Abend planen. Und das Abendessen.«
»Meine Güte, dann stell’s doch einfach für mich warm! Mir macht’s nichts aus. Und wenn’s mich nicht stört, dass ich mein Abendessen lauwarm kriege, dann braucht’s dich noch weniger zu kümmern. Wozu der ganze Zirkus?«
»Weil du mir ausweichst.«
»Nein, weil du alles kontrollieren willst – dieses Haus, jenes Haus, die Finanzen, Anthony und jetzt auch noch mich.
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