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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Norah bis zur Treppe, wo das Mädchen sich gegen die Wand lehnte. Was nun? Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie, wie Norah ihre schmerzenden Beine massierte.
    „Warum hat er dich so grauenvoll zusammengeschnürt? Mit dem Knebel hättest du ersticken können!“, seufzte Chloe.
    „Ich habe ununterbrochen gerufen und mit den Füßen auf den Boden getrampelt oder gegen die Tür getreten, da musste er mich wohl ruhigstellen.“
    „Du hast gehofft, jemand würde dich hören?“
    „Keine Ahnung, was ich gehofft habe, Chloe. Ich wollte hier oben einfach nicht vergessen werden.“
    „Du doch nicht, Sternchen“, beteuerte Chloe und streichelte Norah behutsam die zerschundene Wange. „Können wir die Treppe jetzt in Angriff nehmen?“ Chloes Blick wurde drängend. Sie wollte Norah so schnell wie möglich aus Ryans Nähe schaffen.
    Norah griff nach dem Geländer und nickte zustimmend, doch in dem Moment gab die Treppe ein knarrendes Geräusch von sich. Eines der blonden Bordellmädchen ließ sich auf einer der unteren Stufen nieder und wollte dort offensichtlich abwarten, bis dieser seltsame Aufstand vorüber war.
    „Das ist Violetta“, raunte Norah Chloe zu.
    „Hey, Violetta!“, bellte Chloe augenblicklich hinunter, was die junge Frau erschrocken herumfahren ließ. Ängstliche Augen blickten zu ihnen hinauf.
    „Du warst das da oben?“, entfuhr es ihr mit einem Blick auf Norah. Sie erhob sich und kam zögerlich die Stufen nach oben. Unsicher sah sie von Norah zu Chloe und wieder zu Norah. „Was passiert hier? Wer ist dieser Fotograf?“, stammelte sie. „Ich kann es mir schon denken. Nehmt ihr mich mit? Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll, wenn das Haus hier nicht mehr ist.“
    „Dann hilf mir“, entschied Chloe kurz entschlossen und deutete mit der Hand auf Norah.
    Gemeinsam gelang es ihnen, sie die Stufen hinunterzubringen. Direkt vorne im unteren Korridor kauerte Danny und werkelte an seinem Fotoapparat herum, während am Ende des Flurs Eve und Catherine die letzte Tür aufrissen. Doch offenbar war dort niemand.
    Danny erhob sich und musterte Norah, die noch immer auf unsicheren Beinen zwischen den beiden sie stützenden Frauen stand. „Bist du in Ordnung?“
    „Was ist hier eigentlich los?“, lautete Norahs verwirrte Gegenfrage. Sie schaute auf den Mann hinunter, der ihr gerade bis zur Nasenspitze reichte.
    „Weiter“, drängte Chloe sie erneut zur Eile.
    Danny folgte den drei Frauen über die Treppe ins Foyer und rief begeistert: „Das war ein Erfolg auf ganzer Linie! Einen der von uns ertappten Männer kannte ich sogar. Ich habe ihn einmal interviewt. Der ist ein hohes Tier in einer der Werften. Verheiratet. Dann war da noch ein älterer, grauhaariger Herr. Er hat mir viel Geld und einen kleinen Landsitz am Meer im Austausch gegen die Fotografie angeboten. Der Arme war … na, sagen wir: etwas knapp bekleidet.“
    Chloe fing erneut einen fragenden Blick von Norah auf.
    Im Eingangsbereich des Bordells herrschte eine seltsam euphorische Stimmung. Noch immer standen mindestens ein Dutzend Frauen direkt vor der Tür und blockierten sie, obwohl um diese Uhrzeit ohnehin kein großer Besucheransturm zu erwarten war. Die Männer jedoch, die von Danny fotografiert worden waren, geleiteten sie in einem Spießrutenlauf hinaus. Die bunt gekleidete Miss Aileen kauerte an der Wand, umringt von den älteren Frauen, die zwar nichts sagten, aber mit drohend vor der Brust verschränkten Armen dastanden und in ihrer deutlich gezeigten Kompromisslosigkeit Norah zum Schmunzeln verleiteten.
    In einer Sitzecke warteten die aufgeschreckten Mädchen. Einige von ihnen waren voll bekleidet, andere nur notdürftig in Decken oder Morgenmäntel gewickelt. Der livrierte Türsteher stand noch immer an die Wand gelehnt da, umringt von ein paar weiteren Frauen. Er machte jedoch nicht den Eindruck, als habe er sich zur Wehr gesetzt. Eher gleichgültig sah er dabei zu, wie Norah, noch immer gestützt von Violetta und Chloe, die letzte Stufe bewältigte und den Weg in Richtung Tür nahm. Polternd kamen nun auch Catherine und Eve die Stufen hinunter.
    „Dieser Ryan ist nicht hier“, rief Eve von hinten.
    „Gehen wir“, lautete Chloes Antwort, und das war das Signal für alle, sich zum Ausgang zu begeben. Eine nach der anderen verließen die Frauen das Haus.
    Auf dem Queen’s Square wurde Norah schützend in die Mitte genommen. Gemeinsam strebten die Frauen und Danny aus dem Viertel und verschwanden wie ein Spuk in den

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