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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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fingerte an einem Tau herum, das aufgewickelt über einer Verstrebung oberhalb der Kaimauer lag. Für einen kleinen Moment verfolgte sie mit den Augen den gleichmäßigen Gleitflug einer Möwe, ehe sie wieder zu dem im Verhältnis zur Titanic kleinen Schiff hinübersah. Matrosen sprangen von Bord und legten die Gangway aus, während im vorderen Bereich des Schiffes bereits Vorkehrungen zum Löschen der Ladung getroffen wurden.
    Endlich kamen die ersten Personen in Sicht. Norah stellte sich auf Zehenspitzen und musterte jedes Gesicht mit prüfendem Blick. Die Mienen der Aussteigenden waren ernst und ihre Augen schauten suchend umher. Mancher Blick erhellte sich, als er einen lieben Menschen erfasste, andere blieben betrübt. Kaum einer der Männer trug einen Seesack. Die meisten der Überlebenden steckten wohl noch in der Kleidung, die sie beim Untergang getragen hatten, oder auch in den Sachen, die sie an Bord der Carpathia von einem großzügigen Spender geschenkt bekommen hatten.
    Norahs Blick blieb an einem großen, breitschultrigen Mann in einer zu engen Anzugjacke hängen. Er trug die Matrosenmütze der White Star Line und in seinem Gesicht wucherte ein wilder schwarzer Bart. Mit sicherem Schritt ging er über die leicht schwankende Gangway und verharrte, als die Menge vor ihm zum Stehen kam.
    Er hob den Kopf und Norah jubelte auf. Adam!
    Sie lief mit fliegenden Schritten den Pier entlang und wollte, wie einige andere Frauen und die Reporter, schnell zu den Heimkehrern hinüber, wurde jedoch von einer Handvoll Polizisten aufgehalten, die ihnen den Weg versperrten.
    „Was soll das?“, brüllte eine Frau aufgebracht. Ihr strömten die Tränen über das Gesicht und ohne Vorwarnung schmetterte sie einem Polizisten ihre Tasche ins Gesicht.
    „Haben wir nicht schon genug gelitten?“, rief eine andere laut.
    Ein Tumult entstand, als einige Frauen, unterstützt von den Reportern, versuchten, durch die Reihen der Polizisten zu brechen.
    Norah nutzte den Augenblick. Ungesehen huschte sie ganz am Rand des Geländers an dem abgelenkten Polizisten vorbei und lief bis an die Gangway.
    „Norah!“, brüllte eine Stimme, die jeden Sturm hätte übertönen können. Adam hatte sie entdeckt.
    Während sie auf der Stelle hüpfte wie ein kleines Kind, drängte Adam sich rücksichtslos durch die vor ihm stehenden Männer. Bei seiner Schwester angekommen riss er sie in seine Arme.
    „Adam!“, flüsterte sie, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und weinte hemmungslos. Er war zurück! Ihr Bruder hatte überlebt! Wenigstens er war zu ihr zurückgekehrt. Wenn doch nur Richard …
    Norah schluchzte laut auf. Sie gestattete ihren Gedanken nicht, sich auszumalen, dass Richard auch überlebt haben könnte. Es war zu grausam. Die Wirklichkeit sah anders aus. Richard war tot. Sie würde allein zurückbleiben, ohne jemals wieder seine liebevollen Worte zu hören, ohne diesen Ruhepol an ihrer Seite.
    Adam spürte ihr Zittern, ihre Verzweiflung. Es störte sie nicht, dass er ihr mit der Kraft seiner Umarmung beinahe den Atem nahm. Sie war so unendlich glücklich und so verzweifelt traurig zugleich.
    „Treten Sie zurück, Miss. Der Seemann hier kommt mit“, rügte eine unfreundliche Stimme in ihrem Rücken.
    „Was?“, fragte sie verwirrt und drehte nur leicht den Kopf. Sie wollte Adam nicht schon wieder loslassen. In seinen Armen zu liegen tat so unendlich gut; sie bedeuteten Trost. Einer, wenigstens einer von den drei Männern, die sie liebte, war zurückgekehrt!
    „Wir werden in den Wartesaal der dritten Klasse interniert“, erklärte ihr Adam mit leiser Stimme.
    „Aber warum?“
    „Vermutlich bekommen wir Anweisungen. Die White Star Line wird sich einiges an Vorwürfen gefallen lassen müssen. Vielleicht werden wir zum Stillschweigen verpflichtet. Oder es gibt jetzt gleich eine Untersuchung, so wie auch in New York.“
    Jemand zerrte unsanft an Norahs Ärmel. Widerwillig schüttelte sie die Hände ab und klammerte sich noch fester an ihren Bruder.
    „Was ist mit Richard? Hast du ihn gesehen?“
    „Nicht mehr, seit er ein junges Mädchen zu den Rettungsbooten brachte. Er hat sich um viele andere Passagiere gekümmert. In meinen Augen hat er Großartiges geleistet, Sternchen.“
    „Es tut so weh, Adam, es tut so schrecklich weh!“
    „Ich weiß“, erwiderte ihr Bruder einfach, und der Schmerz in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    „Und Dylan?“, schluchzte Norah kaum verständlich und setzte sich ein weiteres Mal gegen

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