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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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erreicht zu haben.
    Richard schloss müde die Augen. Er hatte gewusst, dass er viel Zeit und Energie würde einsetzen müssen, bis er einen verantwortungsvollen Posten, vielleicht sogar eine Leitungsposition in einem gut laufenden Unternehmen innehaben würde. Aber in den letzten Tagen überfiel ihn immer wieder der Gedanke, dass er von beidem vielleicht nicht genug zur Verfügung hatte.
    Als es laut an die Wohnungstür klopfte, fuhr sein Kopf erschrocken hoch. Inzwischen war es stockdunkel. War er eingeschlafen?
    Wieder klopfte es, diesmal fordernder. Richard sprang auf, wobei er sich den Kopf an der Dachschräge stieß, eilte leise fluchend in den Flur und riss die Wohnungstür auf.
    Vor ihm stand Franz, der Bote der Weltes. Ein flüchtiges Lächeln huschte über Richards Gesicht. Dass er den Namen des Mannes kannte, verdankte er Norah, denn ohne sie wären Franz, Margarete und auch die Putzfrau Frau Meisner für ihn noch immer irgendwelche namenlosen Bediensteten der Firma Welte. Und selbst Frau Schnee wäre ohne Norahs Eingreifen bis zu ihrem Tode eben „die alte Frau ein Stockwerk tiefer“ geblieben, die jeden Abend darauf lauerte, wann er den Schlüssel ins Schloss steckte, um dann ihre immer gleichen Sätze an ihn zu richten.
    „Entschuldigen Sie die Störung, Herr Martin“, sagte Franz und reichte ihm einmal mehr eine Nachricht.
    „Einen Moment, Franz“, murmelte Richard und wollte zu seinem Jackett gehen, in dem sich die Geldbörse befand.
    „Ich bin mit dem Horch da, Herr Martin. Herr Welte meinte, ich solle Sie fahren.“
    Verblüfft drehte sich Richard zu dem Mann um. Edwin Welte hatte ihm das Auto samt Chauffeur geschickt? Dann musste es sich bei dieser Nachricht ja um etwas sehr Wichtiges handeln! Hastig faltete er das Papier auseinander, auf dem ihm in knappen Worten mitgeteilt wurde, dass er unverzüglich für eine zweiwöchige Reise zu packen habe und in wenigen Minuten in der Welte-Villa erwartet werde.
    Richard sah den Überbringer der Nachricht fragend an. Franz zuckte jedoch nur kurz mit seinen mageren Schultern und erklärte: „Ein Telegramm ist angekommen, das für große Aufregung sorgte.“
    Richard legte, noch immer verwirrt über die Eile, die offenbar geboten war, die Nachricht auf die Garderobe und zog den Koffer unter seinem Bett hervor. Zügig packte er seine Sachen, holte seine Ausweispapiere und hievte den Koffer in den Flur. Während er dann die eben gekauften Lebensmittel wieder aus dem Schrank nahm, hörte er, wie Franz sich mit dem Koffer auf den Weg die Treppe hinunter machte und dabei immer wieder mit dem Gepäckstück gegen das Geländer oder die Wand stieß.
    Der junge Mann sah sich noch einmal prüfend in der Wohnung um. Alles war aufgeräumt und sauber. Die Fenster waren geschlossen, kein Feuer und keine Kerze entzündet. Sein Blick fiel auf die knappe Nachricht. Mit einer flinken Handbewegung legte er sie in der Küche auf den Stapel mit dem Papier zum Anfeuern und griff nach der Tasche mit den Lebensmitteln.
    Er schloss sorgfältig ab, bevor er die in der Mitte tief ausgetretenen Stufen hinunterstieg und die Tasche mit den Einkäufen an den Türknauf der früheren Wohnung von Frau Schnee hängte. Bevor die Lebensmittel in den zwei Wochen seiner Abwesenheit verkamen, überließ er sie doch lieber dem jungen Paar.
    Franz hielt ihm die Tür auf, als Richard den Phaeton erreichte. Er zögerte einen Moment, denn eigentlich wäre er lieber selbst gefahren, doch es hatte auch etwas für sich, chauffiert zu werden.
    Nachdem er auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, fiel sein Blick auf das hölzerne Lenkrad. Wieder einmal wurde er an das Mädchen aus Irland erinnert, das er vor knapp einem Jahr mit genau diesem Wagen durch den Schwarzwald chauffiert hatte. Er lehnte sich bequem in dem weichen Sitz zurück und versuchte sich an Norahs blitzende Augen und an ihr Lachen zu erinnern, was ihm jedoch erschreckend schwerfiel. Die Zeit, in der dieser temperamentvolle Wirbelwind für zwei Wochen sein Leben grundlegend auf den Kopf gestellt hatte, schien ihm nicht nur ein, sondern bereits mehrere Jahre zurückzuliegen. Ohnehin zog sein Leben seit Jahren frei von Höhen und Tiefen an ihm vorbei.
    Ein eigentümliches, wehmütiges Gefühl machte sich in seinem Inneren breit. Er wusste selbst, dass die Erinnerung viele Begebenheiten positiver erscheinen ließ, als sie tatsächlich gewesen waren, schließlich hatte er sich mehr als einmal über dieses Mädchen geärgert oder ihre

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