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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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überhörte den ungebührlichen Einwand großzügig.
    Helena drückte die Klinke hinunter und zog die große Tür auf. Sie schlüpfte hindurch, ließ die Tür offen und schwebte mehr, als dass sie ging, auf den wartenden jungen Mann im Foyer zu. Sie fühlte sich ausgezeichnet, fast wieder so lebendig und fröhlich wie damals, bevor …
    Helena ballte für einen Augenblick ihre Hände zu Fäusten und vertrieb die dunklen Schatten der Vergangenheit. Sie strahlte Richard an, hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam schritten sie durch das imposante Portal nach draußen.

Kapitel 19
    Das Gebälk knarrte im Wind, der durch alle Ritzen pfiff und eine unangenehme Kälte hereintrieb. In der Dunkelheit, die sie umgab, war es durch das Ächzen und Stöhnen der Holzbalken, das Pfeifen des Windes und das ständige leise Klappern irgendwelcher loser Gegenstände um sie herum noch unheimlicher, als es tagsüber gewesen war.
    Leah Mellows drückte sich noch tiefer in die Ecke unter der Dachschräge und zog ihren Rock über ihre Beine bis zu den Füßen. Doch das half nichts; sie zitterte vor Kälte und Furcht am ganzen Leib.
    Sie wusste nicht, wie viele Tage sie jetzt schon in diesem Raum verbracht hatte. Eingesperrt, mit nur einer Mahlzeit am Tag und einem Eimer in der Ecke, in den sie ihre Notdurft verrichten musste. Das alles hätte sie vielleicht noch ertragen können, doch seit zwei Tagen war Susan fort. Dieser große, garstige Mann hatte sie einfach geschnappt, hinausgezerrt und den Riegel vorgeschoben, ohne eine Erklärung für sein Tun abzugeben. Sie hatte mit anhören müssen, wie er ihre Schwester grob die Stufen hinuntergeschleift hatte.
    Susan hatte nach ihr gerufen, als sie mit den Fäusten gegen die Tür gehämmert und darum gebettelt hatte, sie nicht von ihrer Schwester zu trennen – doch vergeblich. Seither hatte sie nichts mehr von ihr gehört.
    Leah wusste nicht, was mit Susan geschehen war, und auf ihre Fragen, mit denen sie ihn bei jedem seiner seltenen Besuche bestürmte, antwortete der Mann nur mit einem hämischen Grinsen. Auch Miss Aileen, die ältere, immer grellbunt gekleidete Frau, die ihr das Essen brachte, gab ihr keine Antworten. Sie sah sie nur mit einem Blick an, der zwischen Mitleid und Verachtung zu schwanken schien, tauschte den Eimer aus und verschloss sehr sorgfältig wieder die Tür hinter sich.
    Ein Geräusch vor der Tür schreckte Leah auf. Der Riegel wurde energisch zurückgezogen.
    Die junge Irin sprang auf und presste sich gebückt gegen die kalte Wand. Wirre, ängstliche Gedanken jagten durch ihren Kopf, und ebenso wirr und verängstigt war ihr Gebet. Aber sie wusste, Gott verstand sie dennoch. Er sah sie, wie sie in diesem schmutzigen, dunklen Verlies kauerte und um ihr Leben fürchtete, da war sich Leah sicher.
    Als die Tür aufgestoßen wurde, fiel ein schwacher Lichtschein auf die verstaubten rauen Holzdielen. Aus dem Stockwerk unter ihr drang das Lachen einer Frau herauf, ansonsten gab es nur die heftigen Geräusche des Sturmes.
    Breitbeinig und bewegungslos, für sie nur als schwarze Silhouette erkennbar, stand der Hüne im matten Lichtschein. Dann trat er ein und stieß mit dem Fuß die Tür hinter sich ins Schloss. Sie hörte seinen Atem. Das Knarren eines der Fußbodenbretter verriet ihr, dass er näher kam.
    Leah bewegte sich seitwärts, mit dem Rücken zur Wand, auf die andere Ecke unter der Dachschräge zu. Er sah bestimmt noch weniger als sie, da sie ja schon länger in der Dunkelheit ausgeharrt hatte. Und er hatte die Tür hinter sich nicht verschlossen. Leah wurde ganz heiß vor Aufregung. Vielleicht bot sich ihr eine Chance zu entkommen!
    Plötzlich knackte ein Dielenbrett unter ihren nackten Füßen. Mit einem gewaltigen Satz war der Mann bei ihr und warf sich auf sie. Sie schlug mit dem Kopf gegen die Schräge und keine Sekunde später lag sie am Boden. Mit seinem ganzen Gewicht drückte der Mann sie nieder und tastete nach ihren Händen. Als er sie fand, riss er sie grob zur Seite und nagelte sie förmlich auf dem Boden fest.
    Benommen schloss Leah die Augen. Den ständig stärker werdenden Schmerz in ihrem Hinterkopf versuchte sie zu ignorieren.
    Der Atem des Mannes streifte ihre Wange, und sie versteifte sich, als sie eine leichte Berührung an ihren Lippen fühlte. War das seine Nase? Sein Mund? Leah presste angewidert die Zähne aufeinander. Wieder spürte sie seinen Atem, wusste, dass sein Gesicht dem ihren ganz nahe war. Er flüsterte, langsam und genüsslich:

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