Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
Kisten? Erst jetzt dämmerte ihm, welche Entdeckung er da gerade gemacht hatte. Diese Art von Holzkisten wurde zum Transport größerer Gegenstände in Zügen oder auch auf den großen Überseedampfern genutzt.
Erleichtert darüber, dass er nicht der Equipage gefolgt war, klopfte er sich siegessicher auf die Oberschenkel. Womöglich hatte er eine der wichtigsten Entdeckungen überhaupt gemacht!
Er zuckte erschrocken zusammen, als sich Stimmen seinem Versteck näherten. Die kleine Personengruppe war nicht in das Gästehaus zurückgekehrt, sondern strebte in Richtung Tor. Eilig drehte Callum sich um und stapfte mit schnellen Schritten, gesenktem Kopf und so nah wie möglich an der schützenden Mauer entlang die Straße hinunter.
Als er es wagte, einen Blick zurückzuwerfen, stellte er fest, dass Norah und ihre Freunde denselben Weg eingeschlagen hatten wie er. Er sah sich gehetzt um. Unter keinen Umständen durfte er von ihnen gesehen werden, obwohl ihn Norah mit seinem zugeschwollenen Auge, das er eigentlich ihr zu verdanken hatte, vermutlich nicht als den Mann aus dem Edelbordell wiedererkennen würde.
Schließlich gelang es ihm, sich durch eine Hecke auf ein Grundstück zu zwängen. Er hielt den Atem an. Nur eine Armlänge von ihm entfernt gingen das Mädchen und die drei jungen Männer vorbei. Der eine, ein wahrer Kleiderschrank von einem Mann, lachte soeben schallend über etwas, das Norahs Bruder gesagt hatte.
Callum grinste grimmig vor sich hin. Denen würde das Lachen schon noch vergehen!
Kapitel 23
Norah bückte sich, hob Katie auf und drehte sich gemeinsam mit ihr einmal im Kreis herum, ehe sie das kleine Mädchen mit den wilden roten Locken wieder auf die Füße stellte. Katie strich ihren grauen Rock glatt und strahlte an Norah vorbei.
Verwundert sah die Stewardess sich um und lachte auf, als sie sah, wem die Bewunderung von Ellas Tochter galt: Richard unterhielt sich mit Sean und bemerkte Katies Bemühungen, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, nicht einmal.
Schließlich trat das Mädchen zu ihm und zog ihn kräftig an der inzwischen gewechselten und tadellos sauberen Jacke. „He, Rick. Wenn Norah heute abreist, musst du dann auch gehen?“
„Hey, deine Wirkung auf Frauen hätte ich gern“, zog Dylan ihn auf, der bei einem kleinen Abschiedsfest für Norah natürlich nicht fehlen durfte.
„Das bringt nur Ärger“, lautete Richards Entgegnung. Er wurde nicht gern an seine Misere mit Helena erinnert. Richard ging in die Hocke und ergriff die aufgeregt auf der Stelle hüpfende Katie an den dünnen Oberarmen.
„Du musst es ja wissen“, lachte Dylan und ließ seine Hand einmal mehr auf Richards Schulter fallen. Inzwischen nahm der diese Angewohnheit des Heizers sehr gelassen hin.
„Heirate du endlich Eve. Dann kannst du mit ihr viele kleine bezaubernde irische Mädchen in die Welt setzen, die dich alle anhimmeln“, spottete Adam.
„Ich bleibe noch“, beantwortete Richard die Frage des Mädchens, ungerührt von dem lauten Gelächter hinter ihm.
„Toll. Dein Kopf ist nämlich wieder gut. Dann kannst du mit mir tanzen, wenn Daniel wieder fiedelt.“
„Ich fürchte, eure Tänze kenne ich gar nicht“, räumte der junge Deutsche ein.
„Dann bring ich sie dir bei, solange Norah weg ist. Und wenn sie wiederkommt, darfst du auch mal mit ihr tanzen.“
Norah wandte sich amüsiert ab und betrat leicht gebückt das dunkle Innere des kleinen Hauses. Ella saß auf ihrem Bett und hielt den kleinen Evan in den Armen. Auf allen verfügbaren Sitzgelegenheiten und auch auf dem Boden saßen Mia, Catherine, Chloe, Eve und einige weitere jüngere und ältere Frauen, die sich wie immer eingefunden hatten, wenn Norah sich aus Belfast verabschiedete.
Die junge Frau durfte sich nicht länger in dieser Gegend aufhalten, da die Gefahr, dass der wütende Bordelleigentümer im Hafenviertel auftauchte, einfach zu groß war. Deshalb würde sie, um die Stadt schnell zu verlassen, den Zug nach Rosslare hinunter nehmen, von dort mit einem Schiff nach Fishguard in England übersetzen und dann weiter nach Southampton reisen.
Schnell umarmte sie alle Anwesenden, bis schließlich Chloe an der Reihe war, die sie lange nicht mehr aus ihren Armen entließ. „Pass gut auf dich auf, Sternchen, hörst du? Wir brauchen dich hier. Und dieser Rick, der braucht dich auch. Du hast ihn zwar schon ein wenig zum Leben erweckt, aber da fehlt noch einiges.“
Norah blinzelte Katie über Chloes Schulter hinweg zu, woraufhin diese sie
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