Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
sich darauf, sie viele Jahre lang an seiner Seite zu haben, von ihrem Enthusiasmus angesteckt zu werden und an ihrer Fröhlichkeit, aber auch ihrer mitfühlenden Hilfsbereitschaft anderen gegenüber teilhaben zu können. Wie wundervoll würde es sein, wenn er sie nach ihren neuesten Abenteuern einfach in die Arme schließen konnte, damit sie bei ihm Ruhe fand.
„Gut.“ Adam grinste, folgte ihm aber dennoch die Stufen der sandsteinfarbenen Freitreppe hinauf.
Ein Diener im Greisenalter öffnete ihnen auf ihr Klingeln hin, und Adam trat mit ein, obwohl Richard angenommen hatte, er würde draußen warten. Aber anscheinend hatte Adam – wie seine Schwester – keine Scheu davor, sich unter diese hochstehenden, immer perfekt gekleideten Leute zu wagen und das zu sein, was er war: er selbst.
„Würden Sie mich bitte anmelden?“, bat Richard den Diener.
„Miss Andrews ist anwesend, da sie den Abend im Haus verbringen möchte. Einen Augenblick bitte, Mr Martin.“
Es dauerte lange, bis Helena die breite, leicht geschwungene Treppe aus dem oberen Stock herunterkam. Adam stieß bei ihrem Anblick einen leisen Pfiff durch die Zähne aus, was Richard veranlasste, ihm einen Stoß mit dem Ellenbogen zu verpassen. Aber auch auf sein Gesicht legte sich ein belustigtes Grinsen, wo noch am Tag zuvor ein bewunderndes Lächeln gewesen wäre.
Helena, die laut Diener den Abend im Haus hatte verbringen wollen, schwebte in einem tief dekolletierten nachtblauen Kleid die Stufen hinunter. Von der eng geschnürten Taille bis hinauf zu den Schultern glitzerten im Licht der Wandlampen Tausende von eingearbeiteten Steinchen, und Richard fragte sich, ob das wohl echte Brillanten waren. Ihr blondes Haar war mit ein paar blauen Kämmen hochgesteckt, die ebenfalls mit glitzernden Steinen besetzt waren. Hatte sie sich in der Zeit, in der sie Richard und Adam warten ließ, in diese umwerfende Garderobe gehüllt? Und weshalb? Etwa nur, weil ihr Richards Anwesenheit angekündigt worden war? Von Schuldgefühlen geplagt entstanden auf seiner Stirn die beiden tiefen Querfalten.
Ohne Adam die geringste Beachtung zu schenken kam Helena mit kleinen, anmutigen Schritten auf Richard zu und streckte ihm zur Begrüßung die behandschuhte Rechte entgegen.
Richard nahm sie, verbeugte sich leicht und hauchte einen Handkuss darauf. Als er sich wieder aufrichtete, schenkte sie ihm ihr strahlendes, wunderschönes Lächeln. Unwillkürlich wich er einen Schritt nach hinten aus. „Mr Adam Casey haben Sie schon kennengelernt, Miss Andrews?“, fragte er in der Absicht, ihre Aufmerksamkeit auf seinen Begleiter zu lenken.
Die junge Dame nickte Adam knapp zu. „Sind die beiden Mädchen heute Morgen gut abgereist?“
„Dank Ihrer Hilfe, Miss Andrews, für die ich mich noch einmal bedanken möchte.“
„Es ehrt Sie, mit wie viel Einsatz Sie sich um das arme verletzte Kind gekümmert haben, Mr Martin. Ich befürchte, viele andere Männer hätten es einfach seinem Schicksal überlassen.“
„Rick? Dein Boss hat es eilig“, unterbrach Adam die Konversation.
Richard warf seinem Freund einen dankbaren Blick zu. Er fühlte sich in Helenas Gegenwart unbehaglich und hatte nichts dagegen, dem Haus der Pirries und somit auch der jungen Dame zügig wieder den Rücken zu kehren. „Richtig, danke“, sagte er und wandte sich wieder Helena zu.
Diese hatte bei Adams Hinweis den Kopf leicht gesenkt, wodurch es unmöglich war, auch nur im Entferntesten ihren Gesichtsausdruck einzuschätzen, doch als sie ihn wieder hob, bedachte sie Richard erneut mit diesem einzigartig betörenden Lächeln.
„Mr Bokischs Kind ist sehr krank, Miss Andrews. Lord Pirrie hat ihm telefonisch angeboten, sein Automobil samt Chauffeur für die Fahrt zum Hafen nutzen zu dürfen.“
Helena sah ihn einen Augenblick durchdringend an, während das Lächeln auf ihrem Gesicht scheinbar eingefroren war. Sicher fragte sie sich, woher seine plötzliche Zurückhaltung ihr gegenüber rührte. Andererseits hatte sie keine Veranlassung, Besitzansprüche ihm gegenüber geltend zu machen. So weit war er in seinen Äußerungen ihr gegenüber nie gegangen. Sie spitzte kurz die Lippen und erwiderte knapp: „Ich werde das veranlassen.“
„Ich danke Ihnen.“ Richards Unbehagen stieg, und er wollte sich schnell zum Gehen wenden, doch ihre Hand auf seinem Arm hinderte ihn daran. „Sie bleiben noch in Belfast, Mr Martin? Bis die Pianos fertig repariert sind?“
„Bis auf eins sind sie alle fertig, Miss
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