Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
das Abteil an ihm vorbeiratterte.
Dann war sie fort.
Bekümmert und mit einem schrecklichen Gefühl der Leere ließ Richard die Schultern hängen. Gerade erst hatte er diese wunderbare Frau gefunden und jetzt musste er sie schon wieder ziehen lassen.
„Nicht gerade schön, was?“, hörte er Adams mitfühlende Stimme, dessen Hand schwer auf seiner rechten Schulter zu liegen kam.
Richard schüttelte nur den Kopf. Eine andere Hand legte sich auf seine linke Schulter und blieb dort liegen, während er dem davonfahrenden Zug nachsah.
„Es ist, als ob es um einen herum plötzlich dunkler geworden wäre. Wie ein nachtschwarzer Himmel auf See ohne Sterne“, sagte Dylan beinahe sanft.
„Ja“, seufzte Richard. Treffender hätte er den Verlust und die Leere, die er in seinem Herzen verspürte, nicht beschreiben können.
Das laute, prustende Gelächter der beiden Iren riss ihn aus seinen trüben Gedanken.
Während die beiden Seeleute sich gegenseitig anrempelten und sich noch immer brüllend vor Lachen dem Bahnhofsausgang näherten, schaute Richard auf die dunkle Rauchwolke, die wie ein letzter Gruß über dem Bahnhofsschuppen hing.
Aber auch auf seinem Gesicht lag ein amüsiertes Schmunzeln.
Kapitel 24
Adam, der Richard zurück zum Anwesen der Pirries begleitet hatte, folgte ihm bis zu dem Gästehaus, anstatt sich vor dem Tor zu verabschieden. Er betrat hinter ihm sein Zimmer, ließ sich auf eine Couch fallen, streifte sich mit den Füßen die Schuhe ab und machte es sich bequem.
Richard fuhr sich mit beiden Händen über sein noch immer unrasiertes Gesicht und setzte sich auf den Stuhl. Verdutzt blickte er zu Norahs Bruder hinüber, der die Arme hinter dem Kopf verschränkt hielt und mit geschlossenen Augen dasaß. „Willst du hier schlafen?“, fragte Richard irritiert über seine Anwesenheit und die Tatsache, wie gemütlich er es sich in seinem Zimmer gemacht hatte.
Adam öffnete ein Auge und drehte leicht den Kopf, sodass er ihn ansehen konnte. „Sicher ist sicher“, brummte er und schloss das Auge wieder.
Richard hob kurz die Augenbrauen. Er fühlte sich auf dem Pirrie-Anwesen sicher und befürchtete keinerlei Übergriff von Seiten eines Bordellbesitzers, der ihn vermutlich ohnehin nicht wiedererkennen würde.
Schließlich stand er auf und ging hinaus in den Flur, wo er auf Karl Bokisch traf, der gerade mit Hut und einem viel zu warmen Mantel von draußen hereinkam.
„Martin, gut dass ich Sie sehe. Die Klaviere werden bereits morgen nach Southampton gebracht. Ich habe für Sie eine Passage dorthin gebucht.“ Herr Bokisch ging an ihm vorbei in sein Zimmer, ließ die Tür aber offen stehen, damit er sich weiter mit Richard unterhalten konnte.
Dieser trat in den Türrahmen und lehnte sich gegen die Zarge. Herr Bokisch wirkte auffällig fahrig und unkonzentriert. Richard sah zu, wie sein Vorgesetzter seinen Reisekoffer unter dem Bettgestell hervorzog. Bedeuteten sein Verhalten und die Tatsache, dass er jetzt schon packte, dass es seinem Kind sehr schlecht ging? „Sie fahren nach Freiburg zurück?“, fragte Richard.
„Ich muss“, erwiderte der Mann knapp und warf seine Hemden in den Koffer. Ganz offensichtlich war es Herrn Bokisch gleichgültig, wie seine Kleidung in Freiburg ankam, Hauptsache, er würde schnell bei seiner Familie sein.
„Kann ich etwas für Sie tun, Herr Bokisch?“, bot sich Richard an.
„Lord Pirrie hat mir aus London telefonisch zugesagt, dass ich sein Automobil und seinen Chauffeur nutzen darf, um zum Hafen zu kommen“, erklärte er. „Wenn Sie das im Haus für mich regeln könnten?“
„Selbstverständlich.“
Richard hatte sich kaum ein paar Schritte vom Gästehaus entfernt, als Adam hinter ihm aus dem Haus trat.
„Ich dachte, du schläfst“, wandte sich Richard an den Matrosen.
„Nur fast.“
„Dann leg dich wieder hin.“
„Ich mache das nur zu deiner Sicherheit“, lautete die Antwort.
Richard blieb stehen und blickte Adam verwundert an. „Besteht für mich denn eine Gefahr? Dieser Ryan hat mich vermutlich nicht einmal gesehen.“
„Die Gefahr geht von mir aus.“
Der Deutsche lachte verwirrt auf, setzte seinen Weg jedoch fort.
„Ich meine es ernst, Rick. Wenn du meiner Schwester wehtust, wirst du meine Fäuste zu spüren bekommen.“
„Ich werde deiner Schwester nicht wehtun, Adam“, entgegnete er bestimmt und fühlte erneut die Sehnsucht nach Norah wie eine starke Windböe an sich reißen. Er würde Norah niemals verletzen. Und er freute
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