Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
einzigen Gedanken verschwendet?«
»W ie schön. Dann bleiben uns die peinlichen Szenen bei den Familienfeiern erspart.«
Raoul schloss die Augen und senkte den Kopf. »Caroline, jetzt beenden wir dieses Gespräch … «
»W eil es dir in den Kram passt? Und was meinst du eigentlich mit den sich wiederholenden Verhaltensmustern und meiner Verrücktheit? Hättest du mich nicht verführt, wenn du dir dieser Dinge bewusst gewesen wärst? War es das, was du sagen wolltest?«
Er drehte sich um und schob die Hände in die Hosentaschen.
»Ich habe mich wohl getäuscht«, murmelte er.
»In welcher Hinsicht hast du dich getäuscht?«, fragte Caroline mit leiser Stimme.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Raoul und trat an die große Fensterfront.
»Hinsichtlich unserer Beziehung?«
Er stand nach wie vor mit dem Rücken zu ihr, zuckte mit den Achseln.
»Du bereust es also bereits? Obwohl du dir eben noch so sicher warst, dass du dir Kinder wünschst und mit mir zusammenleben willst, bis der Tod uns scheidet. Aber dann erfahre ich, dass du mit meiner eigenen Schwester Sex hattest, und du kannst mit meiner Reaktion nicht umgehen. Wie waschlappig darf man eigentlich sein? Was bist du eigentlich für ein Mann, Raoul? Hast du wirklich geglaubt, dass ich immer nur lächeln und einen Knicks machen würde?«
Raoul schwieg weiterhin. Er hielt die Arme verschränkt und schaute übers Meer. Der Himmel rötete sich bereits, die Sonne sank. Ebendieses Geständnis hatte er auf den Lippen gehabt, als sie nach der Aufnahme vor der Sauna gestanden hatten. Ein Impuls blindverliebter Aufrichtigkeit hatte ihn fast dazu veranlasst, von seiner Vergangenheit mit Helena zu erzählen, um wirklich eine neue Zukunft auf einem stabilen Fundament aufzubauen. Aber Caroline hatte geglaubt, er wolle um ihre Hand anhalten. Genau genommen hatte sie ihm einen Heiratsantrag gemacht. Dann war sie seiner Affäre mit Helena auf die Spur gekommen war und nun hielt sie in ihrer Beziehung das Ruder in der Hand und hatte ihn seiner Autorität beraubt. Wie war es diesen Schwestern nur möglich, ihm einerseits zu verfallen, ihm gleichzeitig aber auch das Messer an die Kehle zu setzen, ohne sich dessen bewusst zu sein?
Caroline wartete auf seine Antwort, aber als er weiterhin schwieg, verzerrte sich ihr Gesicht zu einer höhnischen, bitteren Miene. »Nein, du hast nichts dergleichen geglaubt. Denn du hast nicht erwartet, dass ich jemals davon erfahren würde. So viel zur Ehrlichkeit. Auf so etwas baut man eine gesunde, langjährige Beziehung auf. Eine Familie.«
Raoul drehte sich langsam um.
»Hättest du es denn wissen wollen?«, schleuderte er ihr voller Wut entgegen. »Eigentlich wolltest du es doch gar nicht wissen, oder?« Er sah sie voller Verachtung an. Zum ersten Mal las sie etwas anderes als Leidenschaft in seinem Blick, und obwohl sie es nicht zeigte, fühlte sie sich plötzlich klein und schutzlos.
»Oh, die Ehrlichkeit ist etwas ganz Feines … « Er schüttelte enttäuscht den Kopf. »Aber was bedeutet sie eigentlich? Die vollkommene Offenheit ist nur ein Resultat der naiven Illusion, dass es im Leben darauf ankommt, sich vor anderen zu rechtfertigen und sich der Verantwortung zu entziehen, indem man sich für Dinge entschuldigt, die zu schwer sind, als dass man sich weiter mit ihnen belasten will. Aber man muss für seine Entscheidungen einstehen! Ich muss die Verantwortung für meine Affäre mit Helena übernehmen. Das tue ich. Es ist geschehen, es ist vorbei. Wenn ich dir über alle meine Beziehungen Rechenschaft ablegen würde, so hieße das, meine Erinnerungen bei dir abzuladen. Das wäre dann wirklich feige. Was zwischen Helena und mir gewesen ist, ist ein abgeschlossenes Kapitel und geht dich nichts an, obwohl ihr Schwestern seid. Ich habe länger als du gelebt, Caroline, und ich hatte ein Leben, bevor ich dir begegnet bin. Ich habe viele Frauen gehabt. Das weißt du. Ich kann das nicht ungeschehen machen. Hätte ich mich anstrengen sollen, mich nicht in dich zu verlieben, bloß weil ich vor zwanzig Jahren einmal mit deiner Schwester zusammen war? Ja, vielleicht, vor allen Dingen Helenas wegen. Von Louise ganz zu schweigen. Ich war gezwungen, mich zwischen ihrer Freundschaft und deiner Liebe zu entscheiden. Sosehr es mich auch geschmerzt hat, habe ich mich gegen Louise, meine allerbeste Freundin, entschieden. Ich entschied mich gegen sie, weil ich nicht ohne dich sein kann. Ich muss es ertragen, dass sie mich den Rest ihres Lebens hassen
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