Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
zu und verschwand mit klappernden Absätzen Richtung Küche. In der Diele saß Anna auf der Treppe. Mit hängenden Schultern sah sie Caroline nach. Sie rieb sich die Schläfen, um ihre quälenden Kopfschmerzen loszuwerden. Dann erhob sie sich mühselig und ging schwerfällig die Treppe hinauf.
Kurze Zeit später wurde die Küchentür mit einem weiteren Knall, der in der Diele widerhallte und den gerahmten Stammbaum zum Erzittern brachte, geschlossen. Im Studio öffnete Caroline ihren Cellokasten und nahm ihr Instrument heraus. Mit sich steigernder Wut spannte sie ihren Bogen und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Die Finger der Linken flogen über den Hals des Cellos, während der Bogen über die Saiten eilte. Ab und zu glitt der Stachel aus dem Loch im Parkett, das sie im Laufe der Zeit in den Boden gebohrt hatte. Das Cello rutschte ein Stück weg, ehe sie den Stachel mit aller Wucht in den Boden rammte.
Sie spielte Bachs erste Cellosuite mit wahnwitzig extremen Tempi von Anfang bis Ende durch. Die langsamen Sätze waren übertrieben langsam und die schnellen so rasend schnell, dass Melodie und Harmonie zu einer seltsam quietschenden Tonfolge verzerrt wurden. Als die erste Suite beendet war, begann sie sofort mit der nächsten.
Es klopfte. Caroline kümmerte sich nicht darum.
»Caroline … «
Raoul presste sein Ohr an die Tür, um eine eventuelle Antwort zu verstehen, hörte aber nur das wütende Cellospiel. Als er die Tür öffnete, geriet sie aus dem Konzept, rutschte mit den Fingern aus und spielte dieselbe Passage dreimal mit zunehmender Lautstärke, bis sie saß. Mit keinem Blick ließ sie erkennen, dass sie seine Anwesenheit bemerkt hatte.
»Liebling, was ist denn los?« Er eilte auf sie zu, um ihr einen Arm um die Schultern zu legen, aber sie schüttelte seine Berührung sofort ab. Er nahm sich einen Stuhl, drehte ihn und setzte sich, die Arme auf die Lehne gelegt, ihr gegenüber.
Immer noch weigerte sich Caroline, ihn anzusehen. Er wartete den letzten Akkord der zweiten Suite ab, streckte dann die Hand aus und ergriff ihren Arm. Der Bogen quietschte auf den Saiten. Langsam ließ er wieder los und sagte: »Jetzt leg deinen Bogen hin, damit wir uns unterhalten können.«
Caroline ließ die Schultern sinken und lehnte sich zurück, wobei sie das Cello immer noch zwischen den Knien hielt und die Spitze des Bogens auf dem Boden abstützte. Sie wandte sich von ihm ab.
»Erzähl«, sagte Raoul. Seine Stimme war fest und gesammelt. »W as ist passiert, seit wir uns umarmt und einander unsere Liebe erklärt haben?«
Aber Caroline konnte nur den Kopf schütteln. Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Etwas ist passiert. Ich weiß nicht, was, aber ich vermute, dass es mit Peder zu tun hat.« Er suchte ihren Blick, aber sie wich ihm aus. »Bitte, geliebte Caroline, sag es mir.«
»Du.«
»Ich?«
»Du hättest es mir erzählen müssen.«
»W as meinst du?« Er verspürte einen Druck auf der Brust und legte seine Arme um die Rückenlehne.
»Raoul«, begann sie, hob langsam den Kopf und sah ihm in die Augen. Ihr Mund zitterte, aber sie zwang sich dazu, die Worte auszusprechen. »Hast du mit Helena geschlafen?«
Raoul holte tief Luft, wartete einen Moment und sagte dann: »Hat Helena das gesagt?«
»Du leugnest es nicht! Also ist es wahr. Du und Helena … Pfui Teufel … « Sie war so aufgebracht, dass sie kein weiteres Wort herausbrachte. Tränen liefen ihr über die Wangen. Wütend versuchte sie sie mit dem Ärmel ihres Pullovers wegzuwischen, es kamen aber immer wieder neue.
»Caroline … das ist so lange her … ich kannte dich noch nicht einmal … «
»Hör auf! Ich will mir das nicht anhören.«
»Es hat nichts zu bedeuten«, erwiderte Raoul leise. »Überhaupt nichts.«
»Und darüber soll ich mich freuen? Dass es egal ist, wen du fickst? Meine eigene Schwester … das ist so ekelhaft, dass … dass … «
»Meine Liebste … «
»W as hast du mir sonst noch alles verschwiegen? Mit wem schläfst du sonst noch alles? Antworte!«
Raoul schüttelte nur den Kopf.
»Du kannst sie nicht einmal zählen! Pfui Teufel, Raoul! Ich hasse dich!«
»Ich bitte dich, hör auf … «
»Mir ist schlecht … es ist, als sei alles, was uns verband, wie weggeblasen. All das Schöne und Wunderbare, das wir uns ausgemalt hatten. Und du hast es zerstört. Das ist deine Schuld, Raoul!«
Sie schlug die Hände vors Gesicht. Vorsichtig legte Raoul ihr eine Hand auf den Unterarm, aber sie entzog sie ihm
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