Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
verfasste sie eine Antwort und legte dann das Cello auf die Seite. So leise wie möglich schob sie die Glastüre auf und trat in die eisige Kälte.
Freitag, 16. Oktober
A nna erwachte früh am nächsten Morgen und ging nach unten, um Kaffee zu kochen. In der Küche saß bereits Helena mit einer großen handgetöpferten Tasse in der Hand.
»Der Streit hatte es in sich, findest du nicht auch?«
»Streit?«
»Ja, hast du denn Caroline und Louise heute Morgen nicht gehört?«, fragte Anna mit großen Augen. »Ich vermute, Caroline war wütend, weil Louise von dem Kind erzählt hat.«
»T ja … «, erwiderte Helena müde. »Ich begreife überhaupt nichts.«
Anna zuckte mit den Achseln und schlug eine vergilbte, monatealte Zeitung auf.
»Glaubst du denn nicht, dass es ihr zusammen mit Louise gut geht?«
Helena trank einen Schluck und dachte nach. »Louise ist Louise, sie weiß, was sie will. Aber Caroline … ich meine, ich liebe meine Schwester wirklich und will nur ihr Bestes, aber bislang hatte sie immer nur Freunde. Wohlgemerkt im Plural! Warum sollte sie plötzlich mit einer Frau eine dauerhafte Beziehung aufbauen? Das ist nicht ihre Art! Für sie ist das … was weiß ich, eine lustige Aktion. Und dann noch das mit der Schwangerschaft.« Sie schüttelte den Kopf. »So leichtfertig, das Accessoire der Saison, ein Baby. Was hat sich Louise eigentlich dabei gedacht?« Sie schwieg eine Weile, dann fuhr sie versonnen fort: »Aber man kann ihr nicht sagen: Was hast du da gemacht? Caroline ist schließlich selbst noch ein Kind!« Sie schüttelte den Kopf und beugte sich vor, um ein Stück Käse abzuschneiden.
»V ersuchst du, Caroline in Schutz zu nehmen? Es kann doch wohl nicht allein Louises Verantwortung sein?« Anna biss von ihrem Brot ab und kaute. »Und Caroline ist ganz definitiv eine erwachsene Frau. Sie kriegt jeden Mann rum.«
»Es geht nicht darum, jemanden in Schutz zu nehmen«, antwortete Helena. »Ich bin nur realistisch.«
»Und was sagt Caroline? Hast du mit ihr gesprochen?«
»Es hat sich nach allem, was gestern geschehen ist, kein günstiger Zeitpunkt ergeben, um mit ihr zu reden. Ich bin zu Bett gegangen.«
»Glaubst du denn nicht, dass sie sich verändert haben könnte? Sie wünscht sich vielleicht Kinder, obwohl sie nie etwas zu dir gesagt hat. Ihr trefft euch doch nicht so oft? Ich kann es vor mir sehen. Louise und Caroline mit Kindern. Ich glaube, das funktioniert.«
Helena lachte trocken. »Du, ich kenne Caroline. Sie ist die egozentrischste und karrierebesessenste Person, die mir je untergekommen ist … «
Die Küchentür öffnete sich, und Raoul kam mit einem »Guten Morgen« die Treppe herunter.
»… oder sie kommt zumindest auf einen guten zweiten Platz. »Auferstanden von den Schlafenden?«, grüßte sie dann an Raoul gewandt zurück.
»Muss ich mir das jetzt ewig anhören?«
»Du stehst auf immer in meiner Schuld.«
»W ie stellst du dir die Bezahlung denn vor?« Ein kleines, herausforderndes Lächeln ließ sich um seine Augen ahnen, aber nur Helena bemerkte es.
»Dir wird schon etwas Schlaues einfallen«, erwiderte sie bereits auf dem Weg ins Studio.
Anna lehnte sich mit ihrer Kaffeetasse zurück, während sie Raoul betrachtete. Dieser strich Butter auf zwei Brotscheiben, goss sich Kaffee ein, schnitt eine Scheibe Käse ab und steckte sie in den Mund. Dann schnitt er vier weitere Scheiben ab, verteilte sie auf den Brotscheiben und garnierte diese mit Orangenmarmelade. Käse und Marmelade zusammen. Immer noch. Sein Hemd hing ihm etwas aus der Hose, und seine Locken kräuselten sich im Nacken. Ein ganz normaler Morgen. Die schöne Einfachheit der Alltäglichkeit. Anna wurde es ganz wohlig. Warum konnte er morgens nicht in ihrer Küche herumlaufen? Oder noch besser: In ihrer gemeinsamen Küche, beispielsweise in einer gemütlichen 20er-Jahre-Villa in Södra Ängby.
Er sah ihr ihre Nachdenklichkeit an.
»Habt ihr über etwas Spezielles gesprochen?«
»Das Wunschkind der Königin und der Prinzessin«, antwortete Anna geläutert.
»Ach so«, meinte Raoul. »Schade um die gute Figur … «
Ein müder Seufzer war alles, wozu sie sich aufraffen konnte. Sie trank den Rest ihres Kaffees, der bereits bitter schmeckte, und stand auf, um ins Studio zu gehen und sich warmzuspielen. Wenig später waren die ersten Töne ihrer Geige zu hören.
Die Möwen schwebten vor dem Fenster über den blauen Himmel. Raoul ging mit seinem Frühstück nach draußen, um eine Weile die Sonne zu
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