Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
legen gerade mit dem Boot an. Ich mache noch eine Kanne Kaffee, und dann können wir schon heute Vormittag das erste Stück aufnehmen.«
»Es gibt bereits neuen Kaffee. Caroline kocht gerade welchen«, antwortete Louise so ungerührt wie möglich. »Ich muss runter an den Steg.« Sie reckte sich und schlüpfte wieder in ihre Führungsrolle, als sie mit erstaunlich sicheren Schritten den Salon verließ.
Helena und Anna blieben zurück. Anna schien reden zu wollen und trat auf Helena zu. Sie strich Helena über die Wange und dann über die Schulter.
»V erzeih, Helena.«
»W as?«, antwortete Helena benommen. Sie hatte sich noch nicht wieder von der seltsamen Unterhaltung mit Louise erholt. Anna fuhr mit einem verlegenen Lächeln fort: »Ich muss nur daran denken, wie ich in den Salon kam und wie du und Raoul … Wir haben uns nachher lange unterhalten, und das war einfach wunderbar.«
»Aha.« Helena begriff überhaupt nichts.
»Du weißt doch, wie ich für Raoul empfinde. Ich bildete mir plötzlich ein, da sei etwas zwischen euch, und wurde ungeheuer traurig, denn ich kann ihn einfach nicht loslassen. Wir passen so wahnsinnig gut zusammen. Wie auch immer, wir haben uns gestern Abend über alles Mögliche unterhalten, und da hat er mir erklärt, dass ihr nur gute Kumpel seid und dass er dich etwas trösten wollte. Und genau so ist er, Raoul! Er ist wunderbar. Man könnte glauben, dass er bis in die Fingerspitzen ein eiskalter Karrierist ist, aber das stimmt nicht. Er wünscht sich eine Familie mit Kindern. Jetzt kann ich ihm das endlich geben.«
Helena war so fassungslos, dass ihr keine Antwort einfiel. Anna fuhr fort: »Es ist rührend, wie sehr er sich um andere kümmert. Das mit Caroline zum Beispiel. Sie hat sich in diesen Tagen doch so unfassbar gemein benommen! Aber er ist so nachsichtig und bemüht sich wirklich um ihre Freundschaft. Alles nur Louises wegen! Er schluckt seinen Stolz hinunter und zeigt, was für ein wunderbarer Mensch er ist.«
Helena fröstelte es. Ihr fehlten die Worte. Annas Bekenntnis hatte sie peinlich berührt. In ihre Besorgnis mischte sich jedoch noch etwas anderes, ein Gefühl, dass etwas schiefgelaufen war. Was zum Teufel hatte Raoul Anna nur erzählt? Er hatte sie beruhigen sollen, nicht aber falsche Hoffnungen in ihr wecken. Oder hatte sie selbst Raoul missverstanden?
»W ie schön, Anna«, erwiderte sie mit einem schiefen Lächeln, als diese an ihr vorbeihuschte, um ihre Bratsche aus dem Studio zu holen.
Louise hatte ihre Notizen vergessen. Sie ging in ihr Zimmer diese holen. Mit schweren Schritten erklomm sie die Treppe. Als sie im Gang um die Ecke bog, stieß sie fast mit Raoul zusammen. Um eine Berührung zu vermeiden, trat er einen plötzlichen Schritt beiseite. Ihre Blicke begegneten sich ganz kurz, dann schaute er weg.
»Louise«, begann er verwirrt und versuchte, den Mund zu einem Lächeln zu verziehen. Louise antwortete nicht, sondern starrte ihn nur mit einem müden Gesichtsausdruck an. Einige Sekunden lang verharrten sie so und versuchten das Unvermeidliche hinauszuschieben. Schließlich brach Louise das Schweigen.
»W ie konntest du nur?«, fragte sie mit schwacher, tränenerstickter Stimme.
Raoul strich sich mit der Hand durchs Haar und schluckte. Er suchte nach einer geeigneten Erwiderung, erkannte aber, dass nichts, was er sagen würde, sein Handeln rechtfertigen konnte.
»W as soll ich sagen?«
»Du könntest zumindest so viel Anstand besitzen, um Entschuldigung zu bitten.«
Und wieder ließ seine Antwort auf sich warten. Er atmete tief ein, verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Schultern etwas hoch.
»Ich verstehe deine Gefühle, Luss, aber ich kann mich nicht entschuldigen. Das wäre ein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben. Ehrlich gesagt habe ich das einzig Mögliche getan. Wir hatten keine Wahl.«
»W ie alt bist du eigentlich? Bist du ein verwirrter Teenager, der gerade die Liebe entdeckt hat? Das war eine äußerst bewusste Wahl. Und diese Wahl hat zur Folge, dass du unsere Freundschaft opferst. Das ist der Preis.«
»Louise … das sagst du jetzt, und ich verstehe dich. Du kannst auch gar nichts anderes sagen. Aber alles wird sich verändern. Mit der Zeit wirst du einsehen, dass ich sie auf eine Art glücklich mache, die … Ich bin immer noch dein Freund und werde das immer bleiben.«
»Freund?« Louise schleuderte ihm das Wort förmlich entgegen. »W as ist das für eine Art Freund? Was tut so ein Freund wie du? Lügt
Weitere Kostenlose Bücher