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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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gerade nicht gut, der ist irgendwie weggetreten, aber das weiß man ja, daß die trotzdem alles mitkriegen, wenn die in so einem Zustand sind.«
    »Wer jetzt?« fragte Wolli. »Was für ein Zustand?«
    »Gehen wir da ruhig mal hin«, sagte Karl. Er faßte Woll i um die Schulter und zog ihn vom Tresen weg. »Er soll das ruhig alles selbst mit anhören, der arme Kerl.«
    Sie gingen alle drei zu Martin hinüber und setzten sich dazu, Karl zog ihn wieder hoch, prüfte seinen Atem und seinen Puls und streichelte ihm dann ein wenig über den Kopf.
    »Schau, er hat seine Haare gefärbt, das war diesen verdammten Nazikunstschweinen von der ArschArt schon zuviel!« sagte er. »Martin ist doch einer von euch, Men-schenskind! «
    »Ach so«, sagte Wolli.
    »Ich kenn das Arschloch da, was wollt ihr mit dem hier?« ertönte eine Stimme.
    »Ach Martin«, sagte Wolli zu dem Neuankömmling. »Das ist Frankie, und den da kenne ich nicht«, sagte er und zeigte auf Karl.
    »Den da kennst du wohl, du kannst dich bloß nicht erinnern«, sagte Kar! zufrieden. »Und du bist Martin, ja? Das freut mich aber.« Er zeigte auf den schlafenden Dr.-Votz-Martin. »Das da ist auch Martin, aber der ist gerade nicht so in Form.«
    »Ich kenne den Arsch«, rief der stehende Punk-Martin, und in diesem Moment stoppte die Musik. Am Tresen stand einer auf und fummelte am Kassettenrekorder herum.
    »Wahrscheinlich Bandsalat«, sagte Frank, »hatten wir vorhin im Auto auch, stimmt’s, Wolli?«
    »Bist du der Kumpel von Wolli, ja?« sagte der PunkMartin.
    »Ja, hat er ja eben gesagt«, gab Frank gereizt zurück. »Ohne mich wäre Wolli gar nicht hier! Ich hab ihn den ganzen Weg von Bremen hierhergefahren. Und wozu? Damit er mich jetzt fragt, was ich hier eigentlich mache, na vielen Dank auch, Wolli!«
    »Der Arsch da ist aus dem Vorderhaus«, sagte PunkMartin.
    »Was habt ihr eigentlich mit den Leuten aus dem Vorderhaus immer für Probleme? Na gut, es sind Leute aus dem Vorderhaus«, sagte Kar!, »das könnte schon Grund genug sein, wenn man im Hinterhaus wohnen muß, aber warum laßt ihr die nicht einfach ihren Scheiß … «
    »Die haben uns den Strom abgedreht«, unterbrach ihn Punk-Martin.
    »Den ganzen Weg«, beharrte Frank. Man kann nicht immer nur auf den Gegner reagieren, dachte er kämpferisch, man darf sich von ihm nicht die Themen aufzwingen lassen, da muß man, dachte er, auch mal selber in die Offensive gehen, Beharrlichkeit bringt Heil, erinnerte er sich, das hatte ihm eine Hippie-Freundin seines Bruders früher mal in einem Orakel vorgelesen, als sie ihm das I Ging geworfen hatte, »mal dem kleinen Bruder das I Ging werfen«, hatte sie gesagt, die doofe Nuß, dachte Frank, die ist jetzt auch weg vom Fenster, und Manni ist auch kein Hippie mehr, wie man hört, dachte er, die Müdigkeit machte ihn fahrig und schwindelig und euphorisch, es ist wie Besoffensein, nur billiger, dachte er, da hätte man auch früher mal drauf kommen können. »Den ganzen Weg«, fuhr er auf gut Glück fort. »Und meinen Kassettenrekorder hat er auch kaputtgemacht.«
    »Das war dein Kassettenrekorder, der meine Kassette kaputtgemacht hat«, wehrte sich Wolli. »Die lief sonst überall astrein.«
    »Quatsch, der Kassettenrekorder hatte noch nie irgendwas gehabt, und du tust deine Kassette da rein und schon…«
    »Das könnt ihr mal in Ruhe bei Grünkohl und Pinkel klären, ihr Bremer«, sagte Karl. »Hier geht es um Größeres: Man hat denen im Hinterhaus den Strom abgedreht, schlimm, schlimm, warum denn?«
    »Weil das Arschlöcher sind«, sagte der Punk-Martin, »die haben sich mit der Bewag geeinigt, und weil wir nicht bezahlen wollten, haben die uns den Strom abgedreht!«
    »Das waren nicht wir, das war die Bewag, du Idiot!« sagte Martin, der Dr.-Votz-Bassist, und schlug die Augen auf. »Die Bewag-Leute haben da so rote Dinger in eure Zählerkästen reingedreht, das sind so Plomben, die haben die Sicherungen von den Zählerkästen verplombt, du Idiot!«
    Die Musik blieb aus, deshalb konnte man jetzt von den Leuten am Tresen, die alle mithörten, ein Raunen und Tuscheln vernehmen, das bei Martins letzten Worten in ein mißbilligendes Schimpfen überging, »Paß auf, was du sagst«, »Selber Idiot«, »Schmeißt den Wichser raus« und ähnliches wurde durcheinandergerufen.
    »Ruhe im Schiff!« schrie Karl. »Das wird jetzt mal in Ruhe geklärt, und wer Krawall macht, fliegt raus!«
    Daraufhin verstummten alle.
    »Und du sag nicht Idiot!«, sagte Karl zu Martin.

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