Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Mund auf die Tischdecke.
»Aaach, lass es ihn doch haben, wenn er es will«, sagte Gum zärtlich. »Hier, Curtis. Willst du noch was essen?«
»Curtis«, sagte Danny bebend vor Ungeduld, denn er befürchtete, dass er es nicht aushalten würde, wenn sich dieses unangenehme kleine Abendbrotdrama jetzt zum tausendsten Mal abspielen sollte. »Hier. Nimm meins.« Aber Curtis, der nicht verstand, worum es bei diesem Spiel genau ging, und es auch nie verstehen würde, streckte lächelnd die Hand nach dem Hühnerschenkel aus, der da vor seinem Gesicht zitterte.
»Wenn er das nimmt«, knurrte Farish und starrte zur Decke, »ich schwöre euch, dann schlage ich ihn von hier nach ...«
»Hier, Curtis«, wiederholte Danny, »nimm meins.«
»Oder meins«, sagte ganz plötzlich der zu Besuch weilende Prediger von seinem Platz neben Eugene am Ende des Tisches. »Es ist genug da. Wenn das Kind es will ...«
Sie hatten alle vergessen, dass er da war. Alle drehten sich um und starrten ihn an, und Danny nutzte die Gelegenheit, sich unauffällig hinüberzubeugen und sein ganzes widerliches Essen auf Curtis’ Teller zu schieben.
Curtis geriet über diesen unverhofften Glücksfall in ein ekstatisches Blubbern. »Lieb!«, rief er und verschränkte die Hände.
»Das alles schmeckt mächtig gut«, sagte Loyal höflich. Der Blick seiner blauen Augen war fiebrig und zu intensiv. »Ich danke euch allen.«
Farish hielt sein Maisbrot in der Schwebe. »Du hast kein bisschen Ähnlichkeit mit Dolphus.«
»Weißt du, meine Mutter findet, dass es so ist. Dolphus und ich sind beide blond, wie ihre Seite der Familie.«
Farish gluckste und fing an, sich mit einem Stück Maisbrot Erbsen in den Mund zu schaufeln. Auch wenn er sichtbar, knisternd, high war, schaffte er es immer, in Gums Gegenwart sein Essen runterzubringen, um sie nicht zu kränken.
»Ich sag dir, Bruder Dolphus, der wusste, wie man die Sense
schwingt«, erklärte er mit vollem Mund. »Damals in Parchman, wenn er dir da gesagt hat, du sollst hopsen, dann bist du gesprungen. Und wenn du nicht gesprungen bist, na, dann hat er dich springen lassen. Curtis, verdammt!« Er schob lautstark seinen Stuhl zurück und verdrehte die Augen. »Du willst wohl, dass mir schlecht wird. Gum, kannst du nicht dafür sorgen, dass er seine Finger aus dem Essen nimmt?«
»Er weiß es doch nicht besser.« Gum stand mit knarrenden Gelenken auf und schob die Servierplatte zur Seite, wo Curtis sie nicht erreichen konnte. Dann ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl sinken, sehr langsam, wie in ein eiskaltes Bad. Sie nickte Loyal ehrerbietig zu. »Der gute Herrgott hat sich für den hier leider nicht genug Zeit genommen«, sagte sie und zog kleinlaut den Kopf zwischen die Schultern. »Aber wir lieben unser kleines Monster, stimmt’s nicht, Curtis?«
»Lieb«, gurrte Curtis und bot ihr ein Stück Maisbrot an.
»Nein, Curtis. Gum braucht das nicht.«
»Gott macht keine Fehler«, sagte Loyal. »Sein liebender Blick ruht auf uns allen. Gepriesen sei Der, Der jedem Seiner Geschöpfe eine andere Gestalt gibt.«
»Na, wir wollen mal hoffen, dass Gott nicht woandershin guckt, wenn ihr anfangt, mit den Klapperschlangen rumzufummeln.« Farish warf einen verschlagenen Blick zu Eugene hinüber und goss sich noch ein Glas Eistee ein. »Loyal? So heißt du?«
»Jawohl. Loyal Bright. Bright, das ist die Seite meiner Mama.«
»Na, dann sag mir mal, Loyal, was hat es für einen Sinn, all diese Reptilien hier runterzukarren, wenn sie dann in der verdammten Kiste bleiben müssen? Seit wann läuft denn diese Erweckungsfeier?«
»Seit einem Tag«, sagte Eugene mit vollem Mund, ohne aufzuschauen.
»Ich kann nicht vorherbestimmen, wann ich mit den Schlangen umgehe«, sagte Loyal. »Gott lässt die Salbung auf uns kommen, und manchmal tut Er es nicht. Er ist es, Der uns den Sieg verleiht. Manchmal gefällt es Ihm, unseren Glauben auf die Probe zu stellen.«
»Aber ich schätze, du musst dir doch ziemlich bescheuert vorkommen, wenn du da vor all den Leuten stehst, und weit und breit ist keine Schlange zu sehen.«
»Nein. Die Schlange ist Sein Geschöpf, und sie dient Seinem Willen. Wenn wir sie aufheben und mit ihr hantieren, und es geschieht nicht nach Seinem Willen, dann werden wir verletzt werden.«
»Also gut, Loyal.« Farish lehnte sich zurück. »Würdest du sagen, dass der Herr mit Eugene hier nicht ganz einverstanden ist? Vielleicht ist es das, was euch aufhält.«
»Na, eins kann ich dir sagen«, warf
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