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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Schläuchen und Brennern und alten Badezimmerhähnen. Gruselige Erinnerungen an die Taxidermiewerkstatt – ein Puma-Embryo in Formaldehyd, eine Anglerkiste aus durchsichtigem Plastik, gefüllt mit den verschiedensten Glasaugen – verliehen dem Ganzen das Aussehen von Frankensteins Laboratorium.
    »Komm schon, komm rein«, sagte Farish und wirbelte herum. Er ließ Gum los und packte Loyal hinten am Hemd, und halb riss, halb warf er ihn durch die Labortür.
    Eugene folgte ihnen beklommen. Sein Besucher, der ein ähnlich raues Benehmen vielleicht von seinem Bruder Dolphus her gewohnt war, schien nicht nervös zu sein, aber Eugene kannte Farish gut genug, um zu wissen, dass Farishs gute Laune Anlass genug war, nervös zu sein.
    »Farsh«, sagte er schrill. »Farsh.«
    Drinnen standen auf dunklen Borden reihenweise Gläser mit Chemikalien. Whiskeyflaschen mit abgekratzten Etiketten enthielten eine dunkle Flüssigkeit, die Farish für seine Laborarbeit brauchte. Danny saß auf einem umgedrehten Plastikeimer; er trug Spülhandschuhe aus Gummi und stocherte mit einem kleinen Instrument in irgendetwas herum. Hinter ihm blubberte ein gläserner Filterkolben, und ein ausgestopfter Hühnerhabicht mit ausgebreiteten Schwingen spähte finster aus dem Schatten der Deckenbalken herunter, als wolle er gleich herabstoßen. Auf den Regalen standen auch Barsche auf roh gezimmerten Holzständern, Truthahnfüße, Fuchsköpfe, Hauskatzen (von ausgewachsenen Katern bis zu winzigen Kätzchen), Spechte, Schlangenhalsvögel und ein Reiher, halb vernäht und stinkend.
    »Ich sag dir, Loyal, mir hat mal jemand eine Bullmokassinschlange gebracht, die war so dick. Ich wünschte, ich hätte sie
noch und könnte sie dir zeigen. Ich glaube, die war größer als alles, was du da draußen auf dem Laster hast.«
    Eugene schob sich herein; er kaute auf dem Daumennagel und schaute Loyal über die Schulter. Es war, als sehe er mit Loyals Augen zum ersten Mal diese ausgestopften Kätzchen und den Reiher mit dem gebogenen Hals und den Augenhöhlen, so runzlig wie Kauri-Muscheln. »Zum Präparieren«, sagte er laut, als er merkte, dass Loyals Blick auf den Reihen der Whiskeyflaschen verweilte.
    »Der Herr will, dass wir Sein Reich lieben und behüten, und dass wir es uns untertan machen«, sagte Loyal und betrachtete die grausige Ausstellung, die inmitten des Gestanks und der Kadaver und Schatten wie ein Querschnitt durch die Hölle anmutete. »Du musst mir verzeihen, aber ich weiß nicht, ob das bedeutet, dass es recht ist, wenn wir sie ausstopfen und aufstellen.«

In der Ecke entdeckte Eugene einen Stapel Hustler -Hefte. Das Bild auf dem obersten war Ekel erregend. Er legte Loyal die Hand auf den Arm. »Komm, lass uns gehen«, sagte er, da er nicht wusste, was Loyal sagen oder tun würde, wenn er das Bild sähe, und unvorhersehbares Verhalten jeglicher Art war in Farishs Nähe nicht ratsam.
    »Na«, sagte Farish, »ich weiß nicht, ob du da Recht hast, Loyal.« Zu Eugenes Entsetzen beugte Farish sich über seinen Aluminium-Arbeitstisch, warf sich das Haar über die Schulter und zog eine weiße Linie – Eugene vermutete, dass es Dope war – durch einen zusammengerollten Dollarschein in die Nase. »Entschulige, aber irre ich mich, wenn ich annehme, Loyal, dass du ’n schönes dickes T-Bone-Steak genauso schnell aufisst wie mein Bruder hier?«
    »Was ist das?«, wollte Loyal wissen.
    »Kopfschmerzpulver.«
    »Farish hat ’ne Behinderung«, warf Danny hilfsbereit ein.
    »Meine Güte«, sagte Loyal milde zu Gum, die in ihrem Schneckentempo eben erst vom Laster zur Tür des Schuppens geschlurft war. »Das Gebrechen ist wahrlich ein grimmiger Zuchtmeister unter Ihren Kindern.«
    Farish warf sein Haar zurück, richtete sich auf und zog geräuschvoll die Nase hoch. Ungeachtet dessen, dass er der Einzige in diesem Haushalt war, der eine Behindertenrente bezog, passte es ihm nicht, wenn sein eigenes Missgeschick in einem Atemzug mit Eugenes entstelltem Gesicht erwähnt wurde – und schon gar nicht mit Curtis und seinen umfassenderen Problemen.
    »Wie wahr, Loyle«, sagte Gum und wackelte betrübt mit dem Kopf. »Der liebe Herrgott hat mich schrecklich geschlagen mit Krebs, mit der Arthuritis, mit dem Zucker-Diabetes und mit dem hier...« Sie deutete auf eine verwest aussehende, schwarz-violette Kruste an ihrem Hals, so groß wie ein Vierteldollar. »Da haben sie der armen alten Gum die Adern ausgeschabt«, sagte sie eifrig und drehte den Kopf zur Seite,

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