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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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sein? »Ich hab euch lieb, aber so ist es mal Ich werde alt.« Sie berührte Allisons Wange. »Sei jetzt brav. Und sag der kleinen Mistbiene, ich hab sie lieb.« Mistbiene nannte sie Harriet, wenn Harriet ungezogen war. Dann schloss sich die Tür, und sie war weg.
    »Ich nehme an«, sagte Libby – und mit leisem Schrecken sah Allison, dass Libby sich mit ruckhaften Kopfbewegungen auf dem Küchenboden umschaute, als flattere eine Motte um ihre Füße herum – »sie wird sie nicht finden, wenn sie ankommt.«
    »Wie bitte?«, fragte Allison.
    »Die Rote Bete. Die eingelegte Rote Bete. Oh, ich wünschte, jemand würde mir helfen.« Klagend und halb komisch verdrehte Libby die Augen.
    »Soll ich was für dich tun?«
    »Wo ist Edith?«, fragte Libby, und ihre Stimme klang seltsam knapp und energisch. »Sie wird etwas für mich tun.«
    Allison setzte sich an den Küchentisch und versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Musst du die Rote Beete denn heute machen?«, fragte sie. »Lib?«
    »Ich weiß nur das, was man mir gesagt hat.«
    Allison nickte, und einen Moment lang saß sie in der allzu hellen Küche und fragte sich, was sie jetzt tun sollte. Manchmal kam Libby aus der Missionsgesellschaft oder aus ihrem Zirkel mit merkwürdigen und sehr spezifischen Wünschen nach Hause: nach Rabattmarken oder alten Glasrahmen, nach Etiketten von Campbell’s Suppendosen (die die Baptistenmission in Honduras gegen Bargeld eintauschte), nach Eisstielen oder alten LUX-Spülmittelflaschen (für Bastelarbeiten für den Kirchenbasar).
    »Sag mir, wen ich anrufen soll«, sagte Allison schließlich. »Ich kann anrufen und erzählen, dass du heute Morgen einen Unfall hattest. Dann kann jemand anders die Rote Bete besorgen.«
    »Edith wird etwas für mich tun«, sagte Libby abrupt. Sie stand auf und ging ins andere Zimmer.
    »Soll ich sie anrufen?« Allison spähte hinter ihr her. »Libby?« Sie hatte Libby noch nie so brüsk gehört.
    »Edith wird alles in Ordnung bringen«, sagte Libby mit einer matten, übellaunigen Stimme, die gar nicht zu ihr passte.
    Und Allison ging zum Telefon. Aber sie hatte sich immer noch nicht von Idas Fortgang erholt, und was sie Edie gegenüber nicht in Worte fassen konnte, war, wie verändert Libby ihr erschien, wie verwirrt, und wie seltsam eingefallen ihr Gesichtsausdruck war. Die beschämte Miene, mit der sie an ihrem Kleid herumzupfte. Allison dehnte die Telefonschnur, so weit es ging, und reckte den Hals, um ins Nebenzimmer zu schauen, während sie redete, und ihre Bestürzung ließ sie stammeln. Libbys weiße, federzarte Haare schienen an den Spitzen rot zu brennen – Haare, so dünn, dass Allison ihre ziemlich großen Ohren dahinter sehen konnte.
    Edie fiel Allison ins Wort, bevor sie zu Ende gesprochen hatte. »Lauf nach Hause, und lass Libby ihre Ruhe.«
    »Warte«, sagte Allison und rief nach nebenan: »Libby? Hier ist Edie. Willst du mit ihr sprechen?«
    »Was?«, fragte Edie. »Hallo?«
    Sonnenlicht sammelte sich auf dem Esszimmertisch, Pfützen aus hellem, sentimentalem Gold, und wässrige Münzen aus
Licht – Reflexe vom Kronleuchter – schimmerten an der Decke. Das ganze Zimmer strahlte wie ein hell erleuchteter Ballsaal. Libbys Umrisse brannten rot wie glühende Asche, und die Nachmittagssonne, die sie mit ihrer Corona umstrahlte, barg in ihrem Schatten eine Dunkelheit, die war, als brenne etwas.
    »Sie – ich mach mir Sorgen um sie.« Allison war verzweifelt. »Bitte komm rüber. Ich verstehe nicht, wovon sie redet.«
    »Hör mal, ich muss jetzt auflegen«, sagte Edie. »Draußen steht Besuch, und ich bin nicht angezogen.«
    Und dann legte sie auf. Allison blieb am Telefon stehen und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln, und dann lief sie nach nebenan, um nach Libby zu sehen, die sich mit starrem Gesicht zu ihr umdrehte.
    »Wir hatten zwei Ponys«, sagte sie. »Kleine braune.«
    »Ich rufe den Arzt.«
    »Das wirst du nicht tun«, sagte Libby mit solcher Festigkeit, dass Allison unter dem Ton erwachsener Autorität sofort einknickte. »Du wirst nichts dergleichen tun.«
    »Aber du bist krank.« Allison fing an zu weinen.
    »Nein, mir geht’s gut, mir geht’s gut. Es ist nur so, dass sie inzwischen da sein müssten, um mich abzuholen. Wo bleiben sie denn? Es wird spät.« Und sie legte ihre Hand in Allisons – ihre kleine, trockene, papierne Hand – und sah sie an, als erwarte sie, irgendwo hingebracht zu werden.

    Der Geruch von Lilien und Tuberosen, der in dem

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