Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Handschuhe wieder . Meine Handschuhe . Sie waren alles, was sie von Ida noch hatte.
Aber sie war nicht richtig stolz auf sich, eher trotzig und ein bisschen verstört. Die Sonne schien ihr unangenehm ins Gesicht. Sie wollte wieder auf die Straße laufen, ohne sich umzusehen, und erst im letzten Moment bremste sie, hob die Hand gegen das gleißende Licht, schaute nach rechts und links und lief dann hinüber.
»Oh, was würdest du geben im Tausch für deine Seele« , sang Farish und stieß den Schraubenzieher unten in Gums elektrischen Büchsenöffner. Er hatte gute Laune, anders als Danny, dem Nerven, Horror, Vorahnungen bis ins Rückgrat klirrten. Er saß auf der Aluminiumtreppe vor seinem Trailer und zupfte an einem blutig eingerissenen Fingernagel, während Farish inmitten einer glitzernden Unordnung von Zylindern und Schnappringen und Dichtungen, die auf dem harten Lehmboden verstreut lagen, geschäftig bei der Arbeit vor sich hinsummte. Wie ein verrückt gewordener Klempner sah er in seinem braunen Overall aus, als er methodisch den Trailer ihrer Großmutter, den Carport und die Schuppen durchsuchte, Sicherungskästen öffnete, Fußböden aufriss und (seufzend und
triumphierend pustend) diverse Kleingeräte aufhebelte, die ihm gerade ins Auge fielen – die ganze Zeit unermüdlich auf der Suche nach durchschnittenen Drähten, verlegten Einzelteilen und verborgenen Transistorröhren – nach irgendeinem subtilen Hinweis auf Sabotage am elektronischen Apparat ihres Haushalts. »Gleich«, fauchte er und schleuderte einen Arm hinter sich, »ich hab gesagt, gleich «, als Gum herangeschlichen kam, als wolle sie etwas sagen. »Ich komm schon noch dazu, okay?« Aber er war noch nicht dazu gekommen, und der Hof war so dicht übersät von Schrauben und Rohren und Steckern und Drähten und Schaltern und Platten und allem möglichen Metallmüll, dass es aussah, als sei eine Bombe explodiert und habe im Umkreis von zehn Metern lauter Schrott niederprasseln lassen.
Zwei Ziffernplättchen aus einem Uhrenradio – Doppelnull, weiß auf schwarz – lagen auf dem staubigen Boden und starrten zu Danny herauf wie zwei Cartoon-Glotzaugen. Farish fummelte und zappelte mit dem Büchsenöffner herum, brabbelte und sabbelte in all dem Chaos umher, als habe er nichts anderes im Sinn, und wenn er Danny auch nie richtig anschaute, lag doch ein sehr merkwürdiges Lächeln auf seinem Gesicht. Es war besser, ihn zu ignorieren mit all seinen verschlagenen Andeutungen und seinen hinterhältigen Speedfreak-Spielchen, aber er führte offensichtlich etwas im Schilde, und es beunruhigte Danny, dass er nicht genau wusste, was es war. Denn er hatte den Verdacht, dass Farishs umständliche Spionageabwehr-Aktivitäten eine Inszenierung waren, die um seinetwillen aufgeführt wurde.
Er starrte das Profil seines Bruders an. Ich hab nichts getan , dachte er. War nur oben , um’s anzugucken . Hab nichts genommen .
Aber er weiß , dass ich es nehmen wollte . Und da war noch etwas. Jemand hatte ihn beobachtet. Unten in dem Gestrüpp aus Sumach und Lianen hinter dem Turm hatte sich etwas bewegt. Ein weißer Schimmer, wie ein Gesicht. Ein kleines Gesicht. Die Fußspuren auf dem glitschigen Lehmboden des überschatteten Pfades waren die eines Kindes gewesen, tief
eingedrückt, kreuz und quer, und das war schon unheimlich genug, aber weiter hinten, neben einer toten Schlange auf dem Weg, hatte er ein abgegriffenes kleines Schwarzweißbild von sich gefunden. Von sich! Ein winziges Schulfoto von der Junior High, aus dem Jahrbuch ausgeschnitten. Er hatte es aufgehoben und angestarrt, hatte nicht glauben können, was er sah. Und alle möglichen alten Erinnerungen und Ängste aus jener längst vergangenen Zeit stiegen herauf und vermischten sich mit dem Schattengesprenkel, der roten Tonerde und dem Gestank der toten Schlange... er war fast in Ohnmacht gefallen, so unbeschreiblich unheimlich war es gewesen, sein jüngeres Ich in einem neuen Hemd vom Boden herauflächeln zu sehen – wie die hoffnungsvollen Fotos auf lehmigen neuen Gräbern auf Landfriedhöfen.
Und es war Realität, er hatte sich nichts eingebildet, denn das Bild war jetzt in seiner Brieftasche, und er hatte es schon zwanzig- oder dreißigmal herausgeholt und mit blanker Fassungslosigkeit betrachtet. Ob Farish es dort hingelegt hatte? Sollte es eine Warnung sein? Oder irgendein kranker Witz, damit er die Nerven verlor, während er auf den Zehenbrecher trat oder in den Angelhaken lief, der
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