Der kleine Freund: Roman (German Edition)
dem Boden sitzt und von Radiowellen faselt und mit seinem Schraubenzieher Toaster auseinander nimmt ...
»Elektronen beschädigen das Gehirn«, sagte Farish, und dabei schaute er Danny scharf an, als habe er den Verdacht, dass Danny an irgendeinem Punkt nicht seiner Meinung sei.
Danny fühlte sich matt. Sein stündlicher Kick war längst überfällig. Wenn er ihn nicht bekam, würde er ziemlich bald pennen müssen, denn sein überstrapaziertes Herz flatterte, sein Blutdruck sank in den Keller, und er war halb verrückt vor Angst, dass er ganz verschwinden würde, denn Schlaf war nicht mehr Schlaf, wenn du keinen kriegst – irgendwann brach der Damm, und dann rollte er unwiderstehlich über dich hinweg, quetschte dich besinnungslos, eine hohe schwarze Mauer, die mehr wie der Tod war.
»Und was sind Radiowellen?«, fragte Farish.
Danny hörte das alles nicht zum ersten Mal. »Elektronen.«
»Genau, Blödmann!« Mit einem manischen Charles-Manson-Glitzern in den Augen beugte er sich vor und schlug sich mit überraschender Heftigkeit gegen die Stirn. »Elektronen! Elektronen!«
Der Schraubenzieher blinkte: peng – Danny sah es auf einer riesigen Leinwand, wie einen kalten Wind, der aus seiner Zukunft herunterwehte... sah sich selbst, wie er auf seinem verschwitzten kleinen Bett lag, ausgeschaltet, wehrlos, zu schwach, um sich zu bewegen. Das Ticken der Uhr, das Wehen der Gardine. Dann knarrte die gepolsterte Tür des Wohnwagens, ganz langsam, und Farish glitt leise an sein Bett, das Metzgermesser in der Faust...
»Nein! «, schrie er und riss die Augen auf. Farishs gesundes Auge war auf ihn gerichtet wie eine Bohrmaschine.
Einen langen, bizarren Augenblick lang starrten sie einander an. Dann fauchte Farish: »Sieh dir deine Hand an. Was hast du damit gemacht?«
Verwirrt hob Danny die zitternden Hände vor die Augen und sah, dass sein Daumen, wo er an dem eingerissenen Nagel gezupft hatte, mit Blut bedeckt war.
»Pass lieber auf dich auf, Bruder«, sagte Farish.
Am Morgen kam Edie vorbei, in nüchternes Marineblau gekleidet, um Harriets Mutter abzuholen; sie wollte mit ihr frühstücken gehen, ehe sie sich um zehn mit dem Steuerberater
traf. Sie hatte drei Tage zuvor angerufen, um diese Verabredung zu treffen, und Harriet – sie war ans Telefon gegangen und hatte dann ihre Mutter oben abnehmen lassen – hatte den ersten Teil des Gesprächs mitangehört. Edie hatte gesagt, es gebe eine persönliche Angelegenheit, die sie besprechen müssten; es sei wichtig, und sie wolle sich nicht am Telefon darüber unterhalten. Jetzt stand sie im Flur und wollte sich nicht setzen; sie schaute immer wieder auf die Uhr und die Treppe hinauf.
»Sie werden kein Frühstück mehr servieren, wenn wir kommen«, sagte sie und verschränkte die Arme. Ihre Wangen waren blass vom Puder, und ihre Lippen (wie ein kleiner Amorbogen, scharf konturiert mit dem wachsigen, scharlachroten Lippenstift, den Edie normalerweise in der Kirche trug) sahen weniger aus wie die Lippen einer Lady, als vielmehr wie die dünnen, geschürzten Lippen des alten Sieur d’Iberville in Harriets Buch über die Geschichte von Mississippi. Ihr Kostüm (mit Abnähern an der Taille und dreiviertellangen Ärmeln) war sehr streng und auf eine altmodische Weise elegant; in diesem Kostüm (hatte Libby immer gesagt) sah Edie aus wie Mrs. Simpson, die den König von England geheiratet hatte.
Harriet lag der Länge nach auf der untersten Treppenstufe und starrte finster auf den Teppich; dann hob sie den Kopf und sprudelte: »Aber WARUM darf ich nicht mitkommen?«
»Zum einen«, Edie schaute Harriet nicht an, sondern blickte über ihren Kopf hinweg, »weil deine Mutter und ich etwas zu besprechen haben.«
»Ich bin auch ganz still!«
»Unter vier Augen. Zum Zweiten«, und jetzt richtete Edie ihren eisig leuchtenden Blick ziemlich wütend auf Harriet, »bist du nicht so angezogen, dass du irgendwohin gehen kannst. Warum gehst du nicht in die Badewanne?«
»Wenn ich das mache, bringst du mir dann ein paar Pfannkuchen mit?«
»Oh, Mutter.« In einem ungebügelten Kleid kam Charlotte die Treppe herunter; ihr Haar war noch feucht vom Bad. »Es tut mir so Leid. Ich...«
»Oh! Das ist schon in Ordnung«, sagte Edie, aber ihrem Ton war deutlich anzuhören, dass es keineswegs in Ordnung war.
Sie gingen hinaus. Harriet schaute ihnen schmollend durch die staubige Organdy-Gardine nach, als sie wegfuhren.
Allison war noch oben und schlief. Sie war am vergangenen Abend
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