Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Großmutter! Du liebe Güte! sage ich. Miss Edith! Ich...«
Der Prediger, sah Harriet, schob sich auf die Tür zu. Mr. Dial bemerkte, dass sie ihn anschaute, und drehte sich um.
»Und woher kennen Sie diese prächtige junge Lady?«
Der Prediger brach den Rückzug ab und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. »Na ja, Sir«, sagte er und rieb
sich mit einer Hand den Nacken, während er wieder an Mr. Dials Seite kam, als habe er die ganze Zeit nichts anderes vorgehabt, »ja, Sir, ich war hier, als sie sie gestern Abend brachten. Zu schwach zum Gehen. War mächtig krank, das kleine Mädchen, und das ist die Wahrheit.« Dies sagte er in abschließendem Ton, als könnten hier unmöglich noch weitere Erklärungen notwendig sein.
»Und da machen Sie einfach«, Mr. Dial sah aus, als bringe er es kaum über sich weiterzusprechen, »einen Besuch ? Bei Harriet hier?«
Eugene räusperte sich und schaute weg. »Da ist ja noch mein Bruder, Sir«, sagte er, »und wenn ich schon mal hier bin, kann ich doch auch ein paar andere besuchen und trösten. Es ist eine solche Freude, unter die Kleinen hinauszugehen und die kostbare Saat auszubringen.«
Mr. Dial sah Harriet an, als wolle er fragen: Hat der Mann dich belästigt?
»Dazu braucht man nichts als ein Paar Knie und eine Bibel. Das da, wissen Sie«, sagte Eugene und deutete mit dem Kopf auf den Fernsehapparat, »das ist der größte Schaden für das Seelenheil eines Kindes, den Sie im Hause haben können. Den Sündenkasten, so nenne ich es.«
»Mr. Dial«, sagte Harriet plötzlich, und ihre Stimme klang dünn und weit weg, »wo ist meine Großmutter?«
»Unten, glaube ich«, sagte er und fixierte sie mit seinem frostigen Delphinauge. »Am Telefon. Was ist denn?«
»Mir ist nicht gut«, sagte Harriet wahrheitsgemäß.
Der Prediger, sah sie, schlich sich aus dem Zimmer. Als er sah, dass Harriet ihn beobachtete, warf er ihr noch einen Blick zu, bevor er hinausschlüpfte.
»Was ist denn?« Mr. Dial beugte sich über sie und überwältigte sie mit seinem scharfen, fruchtigen Aftershave. »Möchtest du ein Glas Wasser? Möchtest du frühstücken? Ist dir schlecht?«
»Ich... ich...« Harriet setzte sich mühsam auf. Was sie wirklich wollte, konnte sie kaum sagen. Sie hatte Angst davor, allein gelassen zu werden, aber sie wusste nicht, wie sie Mr. Dial
das sagen sollte, ohne ihm zu erzählen, wovor sie Angst hatte und warum.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon auf ihrem Nachttisch.
»Warte, ich mach’s schon.« Mr. Dial raffte den Hörer von der Gabel und reichte ihn ihr.
»Mama?«, sagte Harriet matt.
»Herzlichen Glückwunsch! Ein brillanter Coup!«
Es war Hely. Seine überschwängliche Stimme klang blechern und fern. Am Rauschen in der Leitung erkannte Harriet, dass er das Footballhelm-Telefon in seinem Zimmer benutzte.
»Harriet? Ha! Mann, du hast ihn vernichtet! Du hast ihn umgenietet!«
»Ich...« Harriets Gehirn arbeitete nicht mit voller Geschwindigkeit, und ihr fiel nicht schnell genug ein, was sie sagen sollte. Trotz der schlechten Verbindung war sein Jauchzen und Jubeln am anderen Ende so laut, dass Harriet fürchtete, Mr. Dial werde ihn hören.
»Sagenhaft!« Vor lauter Aufregung ließ er den Hörer fallen, und es klapperte gewaltig. Dann sprudelte seine Stimme wieder auf sie ein, hechelnd und ohrenbetäubend. »Es hat in der Zeitung gestanden ...«
»Was?«
»Ich wusste, das warst du. Was machst du denn im Krankenhaus? Was ist passiert? Bist du verletzt? Hat er auf dich geschossen?«
Harriet räusperte sich auf eine spezielle Weise, die ihm sagte, dass sie gerade nicht offen sprechen konnte.
»Oh – okay«, sagte Hely nach einer düsteren Pause. »Sorry.«
Mr. Dial nahm seine Pralinen und formte mit dem Mund die Worte: Ich muss los.
»Nein, nicht«, sagte Harriet in jäher Panik, aber Mr. Dial ging unbeirrt weiter rückwärts zur Tür hinaus.
Bis später!, sagte er lautlos und mit strahlender Gebärde. Muss ein paar Autos verkaufen!
»Dann antworte einfach mit ja oder nein«, sagte Hely eben. »Bist du in Schwierigkeiten?«
Furchtsam schaute Harriet zur leeren Tür hinüber. Mr. Dial war bei weitem nicht der freundlichste oder verständnisvollste unter den Erwachsenen, aber er war zumindest kompetent: durch und durch rechtschaffen und pedantisch, die Verkörperung inniger moralischer Entrüstung. Niemand würde es wagen, ihr ein Haar zu krümmen, wenn er in der Nähe war.
»Wollen sie dich verhaften? Steht ein Polizist vor
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