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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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eigenes lächelndes Gesicht. Die Krumen prasselten, als sie auf das Foto trafen. Einen Augenblick lang war das Rosa ihres Pullovers noch zu sehen, spähten ihre schüchternen Augen noch hoffnungsvoll durch verschmierten
Lehm; dann prasselte noch eine schwarze Hand voll auf sie herab, und sie waren fort.
    »Los doch«, rief sie ungeduldig, als die beiden kleineren Kinder verdutzt erst das Loch und dann sie anstarrten. »Komm schon, Harriet. Hilf mir.«
    »Das reicht«, kreischte Mrs. Fountain. »Jetzt gehe ich ins Haus. Jetzt rufe ich auf der Stelle eure Mütter an. Seht mich an. Ich gehe jetzt. Das wird euch noch mächtig Leid tun. «

KAPITEL 2.
Die Schwarzdrossel.
    Ein paar Abende später, gegen zehn, als ihre Mutter und ihre Schwester oben schliefen, drehte Harriet behutsam den Schlüssel im Schloss des Gewehrschranks. Die Gewehre waren alt und in schlechtem Zustand, Sammlerstücke, die Harriets Vater von einem Onkel geerbt hatte. Über diesen mysteriösen Onkel Clyde wusste Harriet nichts außer seinem Beruf (Ingenieur), seinem Charakter (»säuerlich«, sagte Adelaide und verzog das Gesicht, denn sie war mit ihm auf der High School gewesen) und seinem Ende (bei einem Flugzeugabsturz vor der Küste von Florida). Weil er aber »auf See verschollen« war (das war die Formulierung, die alle benutzten), war Onkel Clyde für Harriet eigentlich nicht tot. Wenn sein Name erwähnt wurde, hatte sie immer die unbestimmte Vorstellung von einer bärtigen Vogelscheuche wie Benn Gunn in der Schatzinsel, die ein einsames Dasein auf einem trostlosen, salzigen Inselchen fristete, die Hose zerlumpt, die Armbanduhr rostig vom Seewasser.
    Vorsichtig und mit einer Hand auf der Glasscheibe, damit sie nicht klapperte, zog Harriet an der verklemmten alten Tür des Schranks. Erzitternd sprang sie auf. Auf dem obersten Bord lag ein Etui mit antiken Pistolen – winzige Duellwaffen, mit Silber und Perlmutt eingelegt, verrückte kleine Derringer, kaum zehn Zentimeter lang. Darunter, in chronologischer Ordnung aufgestellt und nach links gelehnt, standen die größeren Waffen: Steinschlossgewehre aus Kentucky, eine grimmige, zehn Pfund schwere Präriebüchse, ein roststarrer Vorderlader, der angeblich aus dem Bürgerkrieg stammte. Die eindrucksvollste unter den neueren Waffen war eine Winchester-Schrotflinte aus dem Ersten Weltkrieg.
    Harriets Vater, der Eigentümer dieser Sammlung, war eine ferne, unangenehme Person. Die Leute tuschelten über den Umstand, dass er in Nashville wohnte, schließlich waren er und Harriets Mutter immer noch miteinander verheiratet. Harriet hatte zwar keine Ahnung, wie dieses Arrangement zustande gekommen war (abgesehen von der unbestimmten Ahnung, dass es etwas mit der Arbeit ihres Vaters zu tun hatte), aber sie fand nichts weiter dabei, denn so lange sie sich erinnern konnte, wohnte er schon nicht mehr zu Hause. Jeden Monat schickte er einen Scheck für die Haushaltskasse, zu Weihnachten und Erntedank kam er nach Hause, und im Herbst machte er immer ein paar Tage Station auf dem Weg in sein Jagdcamp unten im Delta. Harriet hielt dies für eine ganz vernünftige Regelung, denn sie entsprach dem jeweiligen Charakter aller Beteiligten: dem ihrer Mutter, die sehr wenig Energie hatte und fast den ganzen Tag im Bett blieb, und dem ihres Vaters, der zu viel Energie hatte, noch dazu von der falschen Sorte. Er aß schnell und redete schnell, und wenn er keinen Drink in der Hand hielt, konnte er nicht einen Augenblick lang stillsitzen. In der Öffentlichkeit riss er unentwegt Witze, und die Leute fanden ihn zum Piepen, aber zu Hause war sein unberechenbarer Humor nicht immer so unterhaltsam, und mit seiner lauten Angewohnheit, spontan auszusprechen, was ihm in den Sinn kam, kränkte er oft die ganze Familie.
    Schlimmer noch: Harriets Vater hatte immer Recht, auch wenn er im Unrecht war. Für ihn war alles eine Kraftprobe des Willens. Obwohl er in seinen Ansichten ziemlich festgelegt war, stritt er gern, und selbst wenn er gute Laune hatte (bequem zurückgelehnt in seinem Sessel, mit einem Cocktail neben sich), machte es ihm Spaß, Harriet zu ärgern und sie aufzuziehen, nur um ihr zu zeigen, wer der Boss war. »Gescheite Mädchen sind nicht beliebt«, pflegte er zu sagen. Oder: »Hat doch keinen Sinn, dich groß zur Schule zu schicken, denn wenn du erwachsen bist, wirst du heiraten.« Und während er glaubte, dass er mit solchen Reden nur schlicht und gutmütig die Wahrheit aussprach, geriet Harriet darüber in Wut und

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