Der kleine Nadomir
nächststehenden Jäger in den Magen und rannte auf einen der Schlitten zu. Frauen waren eben dabei, Fleischstücke zu verladen.
Knurrend blieb Nottr vor den Frauen stehen, ergriff ein Stück Fleisch und biss gierig hinein.
»Achtung! Nottr!« schrie Sadagar, als er ein paar Jäger sah, die sich dem Barbaren vorsichtig näherten. Doch Nottr war so vertieft ins Essen, dass er ihn nicht hörte. Die Jäger erreichten ihn. Einer hob eine Keule und schlug sie Nottr über den Hinterkopf. Er zuckte zusammen, wankte etwas, dann drehte er sich um und bekam einen Hieb auf die Stirn, der so gewaltig war, dass er wie vom Blitz getroffen zusammenbrach.
»Sie haben ihn erschlagen«, murmelte Sadagar.
»Er hat einen raschen Tod gehabt«, flüsterte Selamy.
Die Jäger kamen jetzt auf sie zu. Ein paar Schritte vor ihnen blieben sie stehen.
»Ihr habt Unglück über unseren Stamm gebracht«, sagte Harbo, einer der ältesten Männer der Chereber, »ihr werdet sterben.«
Selamy trat einen Schritt vor. »Macht es rasch!«
Harbo schüttelte den Kopf. »Nein, so einfach ist es nicht, Duprel. Euer Blut soll nicht über uns kommen. Euer Schicksal legen wir in die Hände des Großen Albs. Er soll entscheiden, ob ihr sterben oder leben sollt. Streckt die Arme aus!«
Die Jäger umringten sie. Beiden wurden die Handgelenke mit dünnen Lederschnüren zusammengebunden.
»Was habt ihr mit uns vor?« fragte Duprel. Er bekam keine Antwort.
Sadagar warf immer wieder sorgenvolle Blicke zu Nottr hin. Er wusste, welch harten Schädel der Barbar hatte, und er hoffte, dass er auch die beiden gewaltigen Hiebe überlebt hatte. Und er hatte sich nicht getäuscht, Nottr bewegte sich. Aber auch ihm wurden die Hände gefesselt.
Die Jäger führten Nottr zu ihnen. Der Barbar schüttelte immer wieder verwundert den Kopf, dazu kniff er die Augen zusammen und blickte sich verwundert um. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch nur ein heiseres Krächzen kam über seine Lippen. Seine Augen waren blutunterlaufen. Wütend riss er an den Fesseln.
»Jetzt ist er total verrückt geworden«, sagte Selamy leise.
Alles war zum Aufbruch bereit. Die Hunde hechelten bereits ungeduldig, als Olinga zu ihnen kam. Ihr Gesicht war ernst. Sie sah müde aus.
»Der Große Alb wird über euch richten«, sagte sie mit fester Stimme. »Er wird entscheiden, ob ihr weiterleben sollt oder ob er euren Tod wünscht. Ihr werdet jetzt an einen Schlitten gebunden. Seid ihr bei Einbruch der Dunkelheit noch am Leben, dann lassen wir euch frei. Wahrscheinlich werdet ihr aber tot sein. Was dann noch von euch übrig ist, werden die Hunde fressen.«
Sadagar sah ihr wortlos nach, als sie sich auf den Schlitten setzte, auf dem der Tote ruhte. Dann hob er den Blick und hielt unwillkürlich den Atem an.
Es war ein herrlicher Wintertag. Der Himmel war strahlend blau, und zum ersten Mal konnte er die Berge im Süden sehen, diese gewaltigen, hoch aufragenden Gipfel, bedeckt vom ewigen Schnee, der in der Morgensonne funkelte.
Ein Jäger stieß ihn zu einem der kleineren Schlitten hin. Er befestigte eine daumenstarke Lederschnur an seinen Handfesseln, dann trat er ein paar Schritte zur Seite.
»Hiiii!« schrie einer der Jäger.
Sofort ging Sadagar in die Knie. Der Schlitten fuhr an. Die Leine spannte sich, und er wurde auf den Bauch geschleudert. Er schrie vor Schmerzen auf, als sich die Handfesseln tief in sein Fleisch bohrten. Einen Augenblick glaubte er, dass ihm die Arme aus den Schultern gerissen würden. Ich hätte die Leine packen müssen, dachte er verbittert. Blut tropfte aus seinen Handgelenken. Die Lederriemen rieben seine Haut auf und durchdrangen das Fleisch bis zu den Knochen. Tränen rannen über seine Wangen. Er wurde fast verrückt vor Schmerzen, doch er biss die Zähne zusammen und ließ das straff gespannte Lederseil nicht aus den Augen. Er musste es zu fassen bekommen, bevor er so geschwächt war, dass es ihm nicht mehr möglich war.
Erst ging es flach dahin, und nur wenige Buckel rüttelten seinen Körper durch. Dann stieg das Land sanft an.
Er presste die Hände zusammen und versuchte mit den Fingern das Seil zu packen, was ihm auch schließlich gelang. Keuchend vor Anstrengung, zog er sich daran entlang, und er schnaubte zufrieden, als die Schmerzen in seinen Handgelenken schwächer wurden. Mit aller Kraft hielt er nun das Seil umklammert. Durch die beißende Kälte hatte er aber bald kein Gefühl mehr in den Händen. Er konnte das Seil nicht länger halten und
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