Der kleine Vampir (01)
welchem dann?»
Anna kicherte. «Als Rüdiger von Schlotterstein natürlich, du Esel.»
«Und das geht?», fragte der Vampir verwirrt.
«Klar», sagte Anton, «meine Eltern haben dich doch nie gesehen. Und im Übrigen habe ich Udo alles erzählt.»
«Was – alles?», fragte der Vampir mit schneidender Stimme und sah Anton lauernd an.
«Natürlich nichts von der Gruft», sagte Anton schnell, «und von deinen Verwandten auch nicht! Er glaubt sowieso nicht an Vampire.»
«Ein Glück!», sagte der Vampir und atmete erleichtert auf.
«Aber Anton glaubt an Vampire!», trällerte Anna und klatschte fröhlich in die Hände.
«Psst!», zischte der Vampir. Anna schlug verschämt die Augen nieder. «Schimpf doch nicht immer», sagte sie, «was soll denn Anton von mir denken!»
«Anton denkt genau das Richtige», sagte der Vampir, «nämlich, dass du eine alberne, verliebte Gans bist!»
«W-a-a-a-s bin ich?», kreischte Anna. Wutschnaubend stellte sie sich vor Rüdiger hin. «Sag das nochmal!», rief sie und schüttelte ihre kleine, zur Faust geballte Hand.
«Ist ja gut», lenkte Rüdiger ein, «entschuldige.»
Über Annas Gesicht ging ein zufriedenes Lächeln, und während sie Anton einen innigen Blick zuwarf, zog sie sich auf das Bett zurück.
«Und wann krieg ich nun den Umhang wieder?», fragte der Vampir.
«D-den Um-Umhang?», stotterte Anton. Er starrte noch immer ängstlich auf die Tür, die sich jeden Moment öffnen konnte. Die Eltern wachten doch sonst bei dem kleinsten Husten auf! Sogar ganz leise Radiomusik störte sie, sodass sich Anton schon gefragt hatte, wozu er überhaupt den Radiorekorder bekommen hatte! Und gerade den hatte Anna jetzt entdeckt! Sie drehte an den Knöpfen, und ehe Anton eingreifen konnte, erklang laute Popmusik.
«Nicht!», ächzte Anton, aber es war bereits zu spät, denn eben wurde im Nebenzimmer die Tür geöffnet.
«Schnell», flüsterte er und schaltete das Radio ab, «versteckt euch!»
Rüdiger und Anna waren kaum unter Antons Bett gekrochen, als auch schon die Mutter in der Tür stand. Ihr Gesicht sah grau und zerknittert aus und ihre Haare standen in wirren Kringeln vom Kopf ab.
«Anton», sagte sie müde, «wie oft haben wir dir schon gesagt …»
«Ja ja», antwortete Anton schnell, «tut mir Leid!»
Die Mutter sah ihn noch einmal vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf, dann drehte sie sich um und wollte gehen. Aber an der Tür blieb sie stehen.
«Anton», sagte sie und schnupperte, «was riecht hier so?»
«N-nichts», murmelte Anton.
«Doch, doch», sagte die Mutter, «es riecht wieder so – muffig!»
«Wieso muffig», sagte Anton und stellte sich vor das Bett.
«Irgendetwas riecht hier!», wiederholte die Mutter. Langsam ging sie durchs Zimmer, jeden Winkel mit argwöhnischen Blicken prüfend. Nur unter das Bett sah sie nicht und so blieb sie unschlüssig in der Mitte des Zimmers stehen. «Anton», sagte sie, «wann hast du dich zuletzt gewaschen?»
«Ge-gewaschen?», murmelte Anton. «G-gestern.» Unter dem Bett kicherte es.
«Du brauchst gar nicht zu lachen», sagte die Mutter, obwohl Anton nicht einmal den Mund aufgemacht hatte, «du weißt, dass du dich jeden Tag waschen musst!» Und während sie empört durch die Nase schnaubte, fügte sie hinzu: «Du riechst ja selbst, was dabei herauskommt, wenn man sich nur jeden zweiten Tag wäscht!» Wieder war ein leises Kichern zu hören.
«Lach nur!», rief sie ärgerlich. «Morgen pass ich auf, wie du dich wäschst!» Hiermit ging sie zur Tür und schlug sie mit einem Knall hinter sich zu. Anton horchte, wie sie auch die Tür zum Nebenzimmer schloss, dann ließ er sich erschöpft auf das Bett sinken. «Um ein Haar!», murmelte er.
«Welches Haar?», fragte Anna neugierig und kam unter dem Bett hervorgeklettert.
«Das sagt man so», erklärte Rüdiger herablassend, «aber Anna ist eben noch ein Baby und weiß es nicht!»
«Bäh!», sagte Anna und streckte die Zunge heraus.
«Wir müssen jetzt gehen», verkündete der Vampir.
«Schon?», rief Anna enttäuscht.
«Ja», knurrte der Vampir und sprang aufs Fensterbrett, «es wird bald hell. Komm!»
Anna sah Anton bittend an. «Darf ich dich bald wieder besuchen?», fragte sie.
«Äh – ja», sagte Anton überrascht.
«Toll!», jubelte sie, und mit einem Satz war sie aus dem offenen Fenster gesprungen, vor dem sie nun wie ein großer Schmetterling auf und ab flatterte.
«Und mein Umhang?», fragte der Vampir wieder. «Wann krieg ich den?»
«
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