Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
und schrieb etwas auf eine Karte, die sie an einem Ende des Behälters einsteckte. In einer Ecke über dem Schreibtisch fingen zwei Kameras Mark ein, und er konnte sich selbst auf den Monitoren an der Wand sehen. Eine weitere uniformierte Frau stempelte Papiere.
    »Ist das das Gefängnis?« fragte Mark und ließ seine Augen in alle Richtungen schweifen.
    »Wir nennen es eine Haftanstalt«, sagte sie.
    »Was ist der Unterschied?«
    Das schien sie zu irritieren. »Hör zu, Mark, wir haben hier oben alle möglichen Arten von Schlaumeiern. Du wirst wesentlich besser mit uns auskommen, wenn du den Mund hältst, verstanden?« Sie beugte sich vor, um der Warnung Nachdruck zu verleihen, und ihr Atem roch nach Zigaretten und schwarzem Kaffee.
    »Entschuldigung«, sagte er, und seine Augen wurden naß. Plötzlich traf es ihn wie ein Schlag. Er war im Begriff, in eine Zelle eingeschlossen zu werden, weit weg von seiner Mutter, weit weg von Reggie.
    »Komm mit«, sagte Doreen, stolz auf sich, weil sie ein bißchen Autorität geltend gemacht hatte. Das Schlüsselbund an ihrem Gürtel klapperte. Sie öffnete eine schwere Holztür; dann gingen sie einen Flur mit grauen Metalltüren entlang, die in gleichmäßigen Abständen an beiden Seiten des Flurs eingelassen waren. Neben jeder der Türen war eine Nummer angebracht. Doreen hielt vor Nummer 16 an und schloß mit einem ihrer Schlüssel auf. »Hier hinein«, sagte sie.
    Mark ging langsam hinein. Der Raum war ungefähr dreieinhalb Meter breit und sechs Meter lang. Das Licht war hell und der Teppich sauber. Zu seiner Rechten stand ein Etagenbett. Doreen klopfte auf das obere Bett. »Du kannst dir dein Bett aussuchen«, sagte sie, ganz die Gastgeberin. »Die Wände sind aus Zement und die Fensterscheiben unzerbrechlich, du brauchst also gar nicht erst auf dumme Gedanken zu kommen.« Es gab zwei Fenster – eines in der Tür und das andere über der Toilette, und keines war groß genug, daß er seinen Kopf hätte hindurchstecken können. »Die Toilette ist da drüben, Edelstahl. Porzellan verwenden wir nicht mehr. Ein Junge hat einmal ein Becken zerbrochen und sich mit den Scherben die Pulsadern aufgeschnitten. Aber das war im alten Gebäude. Hier ist es viel netter, findest du nicht?«
    Es ist großartig, hätte Mark beinahe gesagt. Aber ihn verließ schnell der Mut. Er setzte sich auf das untere Bett und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Der Teppich war hellgrün, die gleiche Ware, die er auch im Krankenhaus schon gründlich angestarrt hatte.
    »Alles in Ordnung, Mark?« fragte Doreen ohne die geringste Spur von Wärme. Dies war ihr Job.
    »Kann ich meine Mutter anrufen?«
    »Noch nicht. In ungefähr einer Stunde kannst du ein paar Anrufe machen.«
    »Könnten Sie sie dann anrufen und ihr sagen, daß ich okay bin? Sie macht sich fürchterliche Sorgen.«
    Doreen lächelte, und um ihre Augen herum zersprang das Make-up. »Das kann ich nicht. Vorschriften. Aber sie weiß, daß es dir gut geht. Schließlich kommst du schon in ein paar Stunden vor Gericht.«
    »Wie lange bleiben Kinder gewöhnlich hier?«
    »Nicht lange. Gelegentlich ein paar Wochen, aber das hier ist eine Art Verwahrungsort, bis eine Gerichtsverhandlung stattfindet und die Kinder entweder zu ihren Eltern zurückgeschickt werden oder in eine Erziehungsanstalt.« Sie rasselte mit ihren Schlüsseln. »Und jetzt muß ich weiter. Die Tür verriegelt sich automatisch, wenn sie geschlossen wird, und wenn sie ohne meinen kleinen Schlüssel hier geöffnet wird, geht ein Alarm los, und es gibt großen Ärger. Also komm nicht auf dumme Ideen, Mark.«
    »Nein, Madam.«
    »Kann ich dir etwas besorgen?«
    »Ein Telefon.«
    »Das bringe ich dir nachher.«
    Doreen machte die Tür hinter sich zu. Es gab ein lautes Klikken, dann Stille.
    Er starrte lange Zeit auf den Türknauf. Das sah nicht aus wie ein Gefängnis. Es waren keine Gitter vor den Fenstern. Die Betten und der Fußboden waren sauber. Die Zementquader waren in einem angenehmen Gelbton gestrichen. In Filmen hatte er schon Schlimmeres gesehen.
    Es gab soviel, worüber er sich Sorgen machen mußte. Ricky, der wieder so stöhnte, das Feuer, Dianne, die langsam die Kontrolle über sich verlor, Polizisten und Reporter, die sich an seine Fersen hefteten. Er wußte nicht, wo er anfangen sollte.
    Er streckte sich auf dem oberen Bett aus und starrte an die Decke. Wo in aller Welt war Reggie?
22
    D ie Kapelle war kalt und feucht. Der Rundbau klebte an der Seite des Mausoleums wie ein

Weitere Kostenlose Bücher