Der Klient
Heftmaschine nachzufüllen.
»Weil sie nicht dumm ist, Mr. Foltrigg. Im Gegenteil, sie ist ausgesprochen klug, und wenn ich sie anrufen würde, wüßte sie sofort, weshalb ich es tue.«
»Vielleicht haben Sie recht.«
»Ich habe recht.«
»Ich möchte, daß Sie uns um drei in ihr Büro begleiten, falls Sie es einrichten können.«
Sharpinski schaute hilfesuchend zu Ord, doch der war vollauf mit der Heftmaschine beschäftigt. »Das kann ich nicht. Ich habe sehr viel zu tun. Sonst noch etwas?«
»Nein. Sie können jetzt gehen«, sagte Ord plötzlich. »Danke, David.« Sharpinski verließ das Büro.
»Mir liegt sehr viel daran, daß er mitkommt«, sagte Foltrigg zu Ord.
»Er hat gesagt, er hat zu tun, Roy. Meine Leute arbeiten«, sagte er mit einem Blick auf Boxx und Fink. Eine Sekretärin klopfte an und trat ein. Sie händigte Foltrigg ein zweiseitiges Fax aus, der es zusammen mit Boxx las. »Das kommt aus meinem Büro«, erklärte er Ord, als stünde nur ihm allein eine solche Technologie zur Verfügung. Sie lasen weiter, und Foltrigg war schließlich fertig. »Haben Sie je von Willis Upchurch gehört?«
»Ja. Ein großkotziger Verteidiger aus Chicago, der viel für die Mafia arbeitet. Was hat er getan?«
»Hier steht, er hätte gerade in New Orleans vor Unmengen von Kameras eine Pressekonferenz abgehalten und gesagt, daß Muldanno ihn engagiert hätte, daß der Fall vertagt werden würde, daß sein Mandant freigesprochen werden würde, und so weiter und so weiter.«
»Das klingt ganz nach Willis Upchurch. Ich kann einfach nicht glauben, daß Sie noch nie von ihm gehört haben.«
»Er war noch nie in New Orleans«, sagte Foltrigg mit Nachdruck, als erinnerte er sich an jeden Anwalt, der es je gewagt hatte, in sein Revier einzudringen.
»Ihr Fall ist gerade zu einem Alptraum geworden.«
»Wunderbar. Einfach wunderbar.«
11
D as Zimmer war dunkel, weil die Vorhänge zugezogen waren. Dianne lag zusammengerollt am Fußende von Rickys Bett und schlief. Nach einem Vormittag, an dem er gemurmelt und sich herumgeworfen und jedermanns Hoffnungen erweckt hatte, war er nach dem Lunch wieder weggedriftet und zu der inzwischen vertrauten Haltung – Knie zur Brust hochgezogen, Tropf im Arm und Daumen im Mund – zurückgekehrt. Greenway versicherte ihr immer wieder, daß er keine Schmerzen hätte. Aber nachdem sie ihn vier Stunden lang an sich gedrückt und geküßt hatte, war sie überzeugt, daß ihr Sohn litt. Sie war erschöpft.
Mark saß gegen die Wand unter dem Fenster gelehnt auf dem Klappbett und betrachtete seinen Bruder und seine Mutter in dem anderen Bett. Auch er war erschöpft, aber schlafen konnte er nicht. Die Ereignisse wirbelten in seinem überanstrengten Gehirn herum, und er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Welches war der nächste Schritt? Konnte er Reggie vertrauen? Er hatte all diese Anwaltsserien und -filme im Fernsehen gesehen und hatte das Gefühl, daß man der Hälfte der Anwälte trauen konnte und der anderen Hälfte nicht. Wann sollte er es Dianne und Dr. Greenway sagen? Wenn er ihnen alles erzählte – würde das Ricky helfen? Er dachte lange Zeit darüber nach. Er saß auf dem Bett, lauschte den gedämpften Stimmen auf dem Flur, wo die Schwestern ihrer Arbeit nachgingen, und versuchte sich darüber klarzuwerden, wieviel er erzählen sollte.
Der Digitaluhr neben dem Bett zufolge war es vierzehn Uhr zweiunddreißig. Es war unmöglich, sich vorzustellen, daß all dieser Mist in weniger als vierundzwanzig Stunden passiert war. Er kratzte sich am Knie und kam zu dem Entschluß, Greenway alles zu erzählen, was Ricky gesehen und gehört haben konnte. Er betrachtete das unter der Decke herausragende blonde Haar und fühlte sich besser. Er würde mit der Sprache herausrücken, Schluß machen mit dem Lügen und alles tun, was er konnte, um Ricky zu helfen. Das, was Romey ihm in dem Wagen erzählt hatte, wußte niemand außer ihm, und das würde er, wenn seine Anwältin ihm keinen anderen Rat gab, eine Zeitlang für sich behalten.
Aber nicht lange. Die Last wurde zu schwer. Das war kein Versteckspiel wie mit den Jungen aus der Wohnwagensiedlung in den Wäldern und Schluchten der Umgebung von Tucker Wheel Estates. Das war kein harmloser nächtlicher Ausflug zu einem Mondscheinspaziergang durch die Nachbarschaft. Romey hatte sich eine echte Waffe in den Mund gesteckt. Das hier waren echte FBI-Agenten mit echten Ausweisen, genau wie in den Fernsehberichten über wahre Verbrechen. Er hatte eine
Weitere Kostenlose Bücher