Der Klient
Zigarette ignorierte sie und lauschte in den ans Ohr geklemmten Telefonhörer. Reggie stand vor ihr und wartete ungeduldig. Der Raum war staubig, schmutzig und von blauem Zigarettenrauch erfüllt. Matte Fotos von Beagles schmückten die Wände. Die Hälfte der Leuchtstoffröhren brannte nicht.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte die Sekretärin, nachdem sie den Hörer vom Ohr genommen hatte.
»Ich muß Chester Tanfill sprechen.«
»Er ist in einer Sitzung.«
»Ich weiß. Er ist ein vielbeschäftigter Mann, aber ich habe etwas für ihn.«
Die Sekretärin legte den Hörer auf. »Ah ja. Und um was handelt es sich?«
»Das geht Sie nichts an. Ich muß Chester Tanfill sprechen. Es ist dringend.«
Das machte sie wütend. Dem Namensschild zufolge hieß sie Louise Chenault. »Mir ist egal, wie dringend es ist, Madam. Sie können nicht einfach hier reinkommen und verlangen, den Präsidenten dieser Firma zu sprechen.«
»Diese Firma beutet ihre Arbeitskräfte aus, und ich habe sie gerade auf zwei Millionen Dollar verklagt. Ich habe auch den lieben Chester auf zwei Millionen verklagt, und nun sehen Sie zu, daß Sie ihn auftreiben und ihn sofort herbringen.«
Louise sprang auf und wich von ihrem Schreibtisch zurück. »Sind Sie so etwas wie eine Anwältin?«
Reggie holte die Anklageschrift und die Vorladung aus ihrem Aktenkoffer. Sie betrachtete die Dokumente, ignorierte Louise und sagte: »Ich bin in der Tat Anwältin. Und ich muß Chester diese Papiere aushändigen. Also finden Sie ihn. Wenn er nicht in fünf Minuten hier ist, ändere ich sie ab und verlange fünf Millionen Schadenersatz.«
Louise schoß aus dem Zimmer und rannte durch eine Doppeltür. Reggie wartete eine Sekunde, dann folgte sie ihr. Sie ging durch einen mit engen, billigen Kabinen ausgefüllten Raum. Aus jeder Öffnung schien Zigarettenrauch herauszuquellen. Der Teppich war alter Nadelfilz und stark abgetreten. Sie erhaschte einen Blick auf Louises rundliches Hinterteil, das gerade in einer Tür an der rechten Seite verschwand, und folgte ihr.
Chester Tanfill war gerade im Begriff, hinter seinem Schreibtisch aufzustehen, als Reggie hereinplatzte. Louise war sprachlos. »Sie können jetzt gehen«, sagte Reggie barsch. »Ich bin Reggie Love, Rechtsanwältin«, sagte sie und funkelte Chester an.
»Chester Tanfill«, sagte er, ohne ihr die Hand zu reichen. Sie hätte sie auch nicht genommen. »Das ist ein bißchen unverschämt, Mrs. Love.«
»Ich heiße Reggie, okay, Chester? Und nun schicken Sie Louise raus.«
Er nickte, und Louise ging nur zu gern und machte die Tür hinter sich zu.
»Was wollen Sie?« fauchte er. Er war hager und drahtig, um die fünfzig, mit einem fleckigen Gesicht und gedunsenen, zum Teil von einer Stahlbrille verdeckten Augen. Ein Alkoholproblem, dachte sie. Der Anzug stammte von Sears oder Penney’s. Sein Genick färbte sich gerade dunkelrot.
Sie warf Klageschrift und Vorladung auf seinen Schreibtisch. »Ich stelle Ihnen hiermit diese Klage zu.«
Er warf einen verächtlichen Blick darauf, ein Mann, der keinerlei Angst hatte vor Anwälten und ihren Spielchen. »Wofür?«
»Ich vertrete Dianne Sway. Sie haben sie heute morgen entlassen, und wir klagen Sie heute nachmittag an. Ist das nicht schnelle Justiz?«
Chesters Augen verengten sich, und er betrachtete abermals die Klage. »Das ist doch ein Witz.«
»Sie sind ein Narr, wenn Sie glauben, daß das ein Witz ist. Hier steht alles drin, Chester. Ungerechtfertigte Entlassung, sexuelle Belästigung und so weiter. Zwei Millionen Schadenersatz. Solche Anklagen habe ich schon dutzendweise eingereicht. Aber ich muß sagen, dies ist eine der aussichtsreichsten, die mir je begegnet ist. Die arme Frau hält sich seit zwei Tagen bei ihrem Sohn im Krankenhaus auf. Ihr Arzt sagt, sie muß ständig in seiner Nähe bleiben. Er hat sogar hier angerufen und ihre Lage erklärt, aber nein, ihr Arschlöcher werft sie auf die Straße, weil sie nicht zur Arbeit erschienen ist. Ich kann es kaum abwarten, das der Jury zu erklären.«
Es dauerte manchmal zwei Tage, bis Chesters Anwalt auf einen Anruf reagierte, und diese Frau, Dianne Sway, reichte nur ein paar Stunden nach ihrer Entlassung eine ausgewachsene Klage ein. Er griff langsam nach den Papieren und studierte die oberste Seite. »Ich bin persönlich beklagt?« fragte er, als wären seine Gefühle verletzt.
»Sie haben sie entlassen, Chester. Aber machen Sie sich keine Sorgen, wenn die Jury Sie persönlich für schuldig befindet,
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