Der Knochenbrecher
sein Team keine weiteren PaÂrallelen zwischen ihnen aufdecken können.
Laura kam aus einer erfolgreichen Unternehmerfamilie. Ihr Vater Roy Mitchell hatte sein Leben in bitterer Armut begonnen. Schon als Kind war er aus einem gewalttätigen Elternhaus geflohen und hatte auf der StraÃe gelebt. Der GroÃteil der Mahlzeiten, die er während dieser Jahre zu sich nahm, stammte aus den Abfalltonnen von Hotels und Restaurants. Im zarten Alter von vierzehn begann er, alte Bücher zu verkaufen, die er Hotelangestellten abgekauft hatte. Mit achtzehn eröffnete er seinen ersten Buchladen, und von da an ging es steil bergauf. Seine Autobiographie â Schattenseiten  â führte zwölf Wochen lang die Sachbuch-Bestsellerlisten an und hielt sich weitere dreiunddreiÃig Wochen in den Top fünfundzwanzig. Mit zwanzig heiratete er Denise, die junge Anwältin, die ihm beim Aufbau seines Unternehmens geholfen hatte. Laura war das jüngere von zwei Kindern.
Kellys Leben war weit weniger aufregend verlaufen. Sie stammte aus einer kleinen frommen Familie in Montana, und ihr Schicksal als brave Hausfrau, deren Leben sich ausschlieÃlich um Mann, Kinder und Garten drehte, schien vorgezeichnet. Ihre Kunstlehrerin jedoch hatte ihr Talent erkannt und ihr jahrelang unermüdlich zugeredet, es nicht brachliegen zu lassen.
Katias Familie war die reichste von allen dreien, aber trotzdem hatte Katia diesen Reichtum nie als selbstverständlich betrachtet. Dass sie eine gefeierte Violinistin geworden war, hatte sie allein sich selbst zu verdanken, denn ganz egal wie viel Geld man hatte, Begabung und Fleià konnte man nicht kaufen. Alles, was sie erreicht hatte, war das Ergebnis ihrer eigenen harten Arbeit.
Hunter lieà den Bericht sinken und streckte die Arme über den Kopf. Er stand vor seiner kleinen Bar, um sich einen doppelten Scotch einzugieÃen â den zweiten an diesem Abend. Er brauchte etwas Vollmundiges, etwas, das ihn wärmte. Sein Blick fiel auf die Flasche Balblair 1997, und seine Wahl stand fest. Er lieà einen Eiswürfel ins Glas fallen und hörte, wie er knackte, als er die honiggoldene Flüssigkeit darübergoss. Er hob das Glas an die Nase und atmete das süÃe Aroma von Vanille und Eichenholz ein. Dann nahm er einen kleinen Schluck, den er lange Zeit im Mund behielt, bevor er ihn hinunterschluckte. Hätte der Himmel einen Geschmack gehabt, dann wäre er dem eines Glases Balblair ziemlich nahegekommen.
Hunter blickte aus dem Fenster auf eine Stadt, die er nie ganz verstanden hatte und die ihm mit jedem Tag fremder vorkam. Wie konnte irgendjemand den Wahnsinn begreifen, der in ihr um sich griff?
Ein dünner Nieselregen hatte eingesetzt. Hunters Blick ging zurück zu den Akten und Fotos auf seinem Couchtisch. Laura und Kelly starrten ihn mit einem verzweifelten Flehen in den Augen an. Ihre von hässlichen schwarzen Stichen umrahmten Münder sahen aus wie die lächelnden Fratzen grotesker Stoffpuppen.
Klopf, klopf.
Hunter runzelte die Stirn, und er sah erst zur Wohnungstür, dann flüchtig auf die Uhr. Viel zu spät für einen Besuch. AuÃerdem konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal Besuch gehabt hatte.
Klopf, klopf, klopf. Diesmal deutlich energischer.
72
Hunter stellte das Glas ab, zog seine Pistole aus dem Halfter, das er über einen Stuhl gehängt hatte, und schlich zur Tür. Es gab keinen Spion. Hunter konnte Spione nicht leiden, weil sie einem Angreifer den perfekten Schuss lieferten. Man musste nur warten, bis es hinter der Linse dunkel wurde, zielen und abdrücken. Training und Instinkt folgend, hielt er sich rechts vom Türrahmen, so dass er, falls jemand die Tür eintrat, nachdem er sie aufgeschlossen hatte, nicht von ihr ins Gesicht getroffen wurde. AuÃerdem stand er so auch nicht in der Schusslinie für den Fall, dass der Unbekannte da drauÃen vorhatte, ein Loch durchs Türblatt zu blasen.
Er entriegelte das Schloss und zog die Tür so weit auf, wie es die Sicherheitskette erlaubte. Von drauÃen war nur ein schmaler Streifen seines Gesichts zu sehen.
»Rechnen Sie mit bösen Buben?«, fragte Whitney Myers mit einem belustigten Lächeln.
Sie trug eine kurze schwarze Lederjacke und darunter ein AC/DC -T-Shirt. Ihre Jeans waren ausgeblichen und hatten am linken Knie ein Loch. Komplettiert wurde der Look durch Cowboystiefel mit silbernen Beschlägen
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