Der Knochenbrecher
sagte er, bevor er in einem kleinen Flur verschwand. Wenige Augenblicke später kam er mit einer tragbaren Stereoanlage zurück.
»Ich habe das hier durch Zufall im Internet gefunden«, sagte Myers, als Hunter den Schreibtisch frei räumte, die Anlage daraufstellte und den Stecker einsteckte.
»Was ist das denn?«
»Ein Interview.«
Hunter hielt inne und sah auf. »Mit Katia?«
Myers nickte. »Es wurde zuerst auf KUSC gesendet. Das ist ein Klassiksender auf Kurzwelle.«
»Ja, ich weiÃ. Er wird von der University of Southern California betrieben.«
Myers verzog das Gesicht. »Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Klassikfan sind.«
»Bin ich auch nicht, ich lese bloà viel.«
Myers fuhr fort: »Das Interview ist ungefähr eine Stunde lang. Zwischendurch werden zur Auflockerung ein paar klassische Musikstücke gespielt. In der ersten Hälfte beantwortet Katia die Fragen des Moderators, im zweiten Teil geht sie dann auf Hörerfragen ein, die per E-Mail oder telefonisch eingereicht werden konnten.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Ich bin keine Sadistin, deswegen werde ich Sie nicht zwingen, die ganze Sendung anzuhören. Ich habe die wichtigsten Stellen zusammengeschnitten.«
Hunter legte die CD ein, drückte auf Play und regelte die Lautstärke.
»Da sind wir wieder. Sie hören KUSC , das beste Klassikradio in Los Angeles und Kalifornien.« Die Stimme des Moderators klang genau so, wie man sich die Stimme eines Moderators bei einem Klassiksender vorstellte: samtig und volltönend. »Wir haben heute Nachmittag einen ganz besonderen Gast im Studio, jemanden, den ich Ihnen nicht erst vorstellen muss. Die Konzertmeisterin des Los Angeles Philharmonic Orchestra, Katia Kudrov.«
Einige Takte eines Violinensolos wurden eingespielt, dann wieder ausgeblendet.
»Vor der Pause haben wir von Ihren ersten Versuchen an der Geige gesprochen und davon, wie schwer es Ihnen anfangs gefallen ist, Ihr Instrument zu beherrschen. Deshalb würde ich jetzt gerne auf etwas persönlichere Dinge eingehen, nämlich das Thema Liebe und Beziehungen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Eine kurze Pause entstand, als müsse Katia erst darüber nachdenken.
»Nein, natürlich nicht â solange Sie mir keine Fragen stellen, bei denen ich rot werde.« Ihre Stimme klang zart, aber nicht kraftlos. Aus ihr sprach groÃes Selbstvertrauen.
»Sie haben mein Wort. Also, Sie bezeichnen sich selbst als hoffnungslos romantisch. Wieso?«
Ein verlegenes Auflachen. »Weil es die Wahrheit ist. Sehen Sie, jetzt werde ich doch rot. Mein Lieblingsfilm ist Pretty Woman .« Kichern.
»Ja, das ist in der Tat ein Grund zum Rotwerden«, konterte der Moderator lachend.
»Wenn es um die Liebe geht, bin ich wie ein kleines Mädchen. Ich weiÃ, das klingt schrecklich naiv, aber wäre es nicht wundervoll, wenn solche Märchen Wirklichkeit wären?«
»Zum Beispiel das Märchen von der wahren Liebe?«
»Ja. Diese magische Art von Liebe, bei der man ein Gefühl von Schwerelosigkeit bekommt. Man sieht jemanden zum ersten Mal, und im Innern kribbelt es überall, und man weià einfach, dass man füreinander bestimmt ist.«
»Waren Sie selbst denn schon einmal so verliebt?«
Erneutes Auflachen. »Nein, bis jetzt noch nicht. Aber ich kann warten â und auÃerdem habe ich ja meine Musik. Wenn ich spiele, fühle ich mich auch schwerelos.«
»Ich würde sagen, das geht uns allen bei Ihrer Musik so.«
»Danke schön.« Eine kurze Pause. »Jetzt werde ich ernsthaft rot.«
»Darf man Ihrer Bemerkung über das Kribbeln im Innern denn entnehmen, dass Sie an Liebe auf den ersten Blick glauben?«
»Absolut.«
»Und was müsste ein Mann sagen oder tun, um so ein Kribbeln in Ihnen auszulösen?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Nichts. Ich glaube, dass wahre Liebe nichts mit Worten oder ÃuÃerlichkeiten zu tun hat. Liebe erwischt einen einfach, ohne Vorwarnung. Ich glaube, wenn man dem Menschen begegnet, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen soll â«
»Den vielzitierten Seelengefährten?«, warf der Moderator ein.
»Ja genau, den Seelengefährten. Ich glaube, wenn man diesen Menschen trifft, dann weià man es einfach. Auch wenn kein Wort gesprochen wird.«
»Also gut, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, aber er kann ja nicht ewig
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