Der Knochenbrecher
traf ihn in die Magengrube. Er war so gut platziert und so heftig, dass er nach vorn sackte und ihm bittere Galle in den Mund schoss. Ihm blieb keine Zeit, sich zu wappnen. Ein zweiter Fausthieb erwischte ihn links am Kiefer. Hunter spürte, wie seine Lippe aufplatzte, und statt der bitteren Galle schmeckte er nun etwas Metallisches, Scharfes â Blut.
Erneut schwang Hunter den Arm herum. Es war ein letzter verzweifelter Versuch. Er wusste genau, dass er verloren hatte. Es gab keine Möglichkeit, sich zu schützen. Das Einzige, was er tun konnte, war, sich auf den nächsten Angriff gefasst zu machen. Dieser lieà nicht lange auf sich warten und kam in Form eines Tritts gegen das Knie. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durchs Bein, die Schwerkraft übermannte ihn, und er ging zu Boden. Mit Rücken und Kopf prallte er hart gegen die Wand. Andrew war nicht nur unsichtbar und lautlos. Er war auch ein ausgezeichneter Nahkämpfer.
»Die Frage ist jetzt«, meinte Andrew, »ob ich so lange auf Sie einprügeln soll, bis Sie tot sind, oder ob es nicht einfacher wäre, Ihre Waffe zu nehmen und Ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen.«
»Andrew, das muss doch nicht sein.« Die Worte kamen nur schleppend über Hunters blutende Lippen.
»Ich habe gesagt, Sie sollen mich nicht Andrew nennen.«
»Schon gut«, lenkte Hunter ein. »Wie wäre es dann mit Bryan? Bryan Coleman?«
Schweigen. Zum ersten Mal spürte Hunter einen Moment der Unsicherheit bei Andrew.
»Das ist die neue Identität, die Sie sich geschaffen haben, nicht wahr? Bryan Coleman? Programmdirektor bei A&E TV ? Wir haben uns erst vor ein paar Tagen gegenübergesessen.«
»Bravo«, sagte Andrew und klatschte in die Hände. »Sie haben Ihren Ruf zu Recht. Darauf ist vor Ihnen noch niemand gekommen.«
»Ihr Alias ist kein Geheimnis mehr«, fuhr Hunter fort. »Was auch immer heute Abend hier geschieht, das LAPD weià jetzt, wer Sie sind. Sie können sich nicht ewig verstecken.« Er hielt inne, holte tief Luft und spürte einen brennenden Schmerz in seinen Lungen. »Sie brauchen Hilfe, Bryan. Die letzten zwanzig Jahre haben Sie eine Last mit sich herumgetragen, die früher oder später jedem zu schwer geworden wäre.«
»Sie wissen gar nichts, Detective. Sie haben keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.«
Andrew hatte sich erneut bewegt, seine Stimme kam jetzt von rechts.
»Drei Tage lang habe ich auf dem Dachboden gesessen. Ich hatte furchtbare Angst und wusste nicht, was ich tun soll.« Er hielt inne. »Irgendwann bin ich dann zu der Entscheidung gelangt, dass ich nicht in Healdsburg bleiben konnte. Ich wollte nicht ins Heim. Ich wollte nicht der arme Waisenjunge sein, den alle bemitleiden. Also habe ich gewartet, bis es dunkel war, und bin dann weggelaufen. Ich bin zur Tankstelle vor der Interstate und habe mich hinten in einem Lkw versteckt. Es war gar nicht schwer.«
Hunter fiel wieder ein, dass das Haus der Harpers nur eine knappe halbe Meile von der Interstate entfernt lag.
»Es ist erstaunlich einfach für ein Kind, auf den StraÃen einer GroÃstadt wie L. A. zu überleben. Aber natürlich hat es nichts geholfen, wegzulaufen. Zwanzig Jahre lang hatte ich immer wieder dieselben Bilder im Kopf. Jedes Mal wenn ich die Augen zugemacht habe.«
Hunter hustete einen Sprühnebel aus Blut. »Was damals bei Ihnen zu Hause passiert ist, war nicht Ihre Schuld, Bryan. Sie konnten nichts für das, was Ihr Vater getan hat.«
»Mein Vater hat meine Mutter geliebt. Er hat sich für sie geopfert.«
»Er hat sich nicht für sie geopfert . Er hat sich in einem Moment des Wahnsinns das Leben genommen und sie mit in den Tod gerissen.«
» WEIL SIE IHN BETROGEN HAT !« Die wütend hervorgestoÃenen Worte kamen direkt von vorn, aber Andrew war zu weit entfernt, als dass Hunter einen Angriff hätte wagen können. »Er hat sie mit jeder Faser seines Herzens geliebt. Ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, was damals wirklich passiert ist. Aber jetzt weià ich, dass er sie und sich selbst einzig und allein aus Liebe getötet hat ⦠aus reiner, wahrer Liebe.«
Hunter hatte recht gehabt. Andrews Vorstellung von Liebe war vollkommen verzerrt, aber eine Diskussion mit ihm anzufangen wäre sinnlos gewesen. Er musste versuchen, ihn zu beruhigen, nicht, ihn noch weiter zu reizen.
»Trotzdem ist es nicht Ihre
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