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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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allein erstickt ist, nachdem der Killer weg war?«
    Hunter nickte.
    Â»Woran? Am Gestank?«
    Hunter zuckte die Schultern. »An ihrem Erbrochenen … an ihrer Zunge … wer weiß das schon? Vielleicht hatte sie ein schwaches Herz. Versuchen Sie nur mal, sich vorzustellen, dass sie noch gelebt hat, als sie in der Fleischerei zurückgelassen wurde – bewusstlos, aber lebendig. Sie kommt zu sich, ist nackt, verängstigt, sie hat Schmerzen, ihr Mund und ihre Vagina sind zugenäht. So eine Situation würde bei den meisten Menschen Angstzustände auslösen.«
    Captain Blake massierte sich die geschlossenen Lider, während sie über Hunters Theorie nachdachte. Sie wusste, dass es im Zuge von Panikattacken durchaus zu Erbrechen oder Hyperventilation kommen konnte. Mit zugenähtem Mund hatte das Opfer keine Möglichkeit gehabt, tief Luft zu holen und den erhöhten Sauerstoffbedarf seines Körpers zu decken. Vielleicht hatte sich ihre Panik dadurch zu Todesangst gesteigert, im Zuge dessen hatte sie sich übergeben, und das Erbrochene hatte sich in ihrem Mundraum gestaut. Die Folge: Asphyxie – und somit der sichere Tod.

15
    Um vierzehn Uhr lagen die Ergebnisse der chemischen Analyse der Farbe vor, mit der die Botschaft an die Decke der Fleischerei gesprüht worden war. Besonders aufschlussreich waren sie nicht. Die Farbe stammte aus einer Dose Montana Tarblack, der vermutlich meistgekauften Sprühfarbe in den Vereinigten Staaten, die von jedem Graffiti-Künstler verwendet wurde. Das graphologische Gutachten bestätigte lediglich, was Hunter bereits vermutet hatte: Um die Worte an die Decke zu sprühen, hatte der Killer nicht seine Schreibhand benutzt – ein einfacher, aber wirkungsvoller Trick. Auf Hunters Veranlassung hin wurde der gesamte Raum, einschließlich der Decke, ein zweites Mal nach Fingerabdrücken untersucht. Jeder Abdruck sollte umgehend mit der nationalen Fingeradruckdatenbank abgeglichen werden.
    Hunter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, schloss die Augen und strich sich langsam mit dem Finger den Nasenrücken entlang. Sein Verstand hatte nach wie vor Mühe, zu begreifen, was hinter einer so sinnlosen Tat stehen konnte.
    Wenn die Bombe nicht gewesen wäre, sondern der Täter das Opfer einfach nur zugenäht hätte, wäre die Sache – zumindest aus psychologischer Sicht – einfacher zu erklären gewesen. Das Zunähen des Mundes hätte eine Vergeltungstat nahegelegt: Dem Opfer war eine Lektion erteilt worden, womöglich weil es etwas gesagt hatte, was es nicht hätte sagen sollen. Vielleicht hatte es über die falsche Person gesprochen oder mit der falschen Person oder beides. Das Vernähen der Lippen wäre ganz klar als Symbol dafür zu deuten gewesen, dass jemand zum Schweigen gebracht worden war.
    Das Zunähen des Mundes und der Vagina hätten das Motiv in eine etwas andere Richtung gelenkt. Möglicherweise war der Täter vom Opfer sexuell hintergangen worden und hatte Rache genommen. Wenn du unbedingt dein Maul aufreißen und die Beine für einen anderen breit machen musstest, werde ich eben dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt. Damit hätte ein betrogener Ehemann, Freund oder Geliebter ganz oben auf der Liste der Verdächtigen gestanden – eine Möglichkeit, die Hunter keinesfalls verworfen hatte.
    Aber all das erklärte nicht die Bombe. Wieso eine Bombe im Körper des Opfers deponieren? Hunter wusste aus Erfahrung, dass die überwältigende Mehrheit der Gewaltdelikte, die man gemeinhin als »Verbrechen aus Leidenschaft« bezeichnete, reine Affekttaten waren, also aus irrationaler Wut und Kontrollverlust heraus verübt wurden. Nur äußerst selten begegnete man ihnen in der Form eines derart sorgfältig geplanten, kalkulierten und brutalen Akts der Vergeltung.
    Eine Möglichkeit, die Hunter ebenfalls nicht außer Acht lassen wollte, war, dass sie es mit mehr als einem Täter zu tun hatten – unter Umständen sogar mit einer Gang. Einige der Banden in L. A. waren berüchtigt für ihre Gewaltbereitschaft und ihr skrupelloses Vorgehen. Dass sie sich untereinander in Form brutaler Überfälle oder Morde Warnungen zukommen ließen, geschah häufiger, als der Bürgermeister einzugestehen bereit war. Gangs hatten oft ihre Finger im illegalen Waffenhandel; an eine Bombe oder Granate oder an

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