Der Knochenbrecher
angefangen und sie über eine Stunde lang mit den Fotos vom Fundort unserer Leiche verglichen. Die Schwellungen im Gesicht des Opfers machen die ganze ÂSache ziemlich schwierig. Jetzt sind noch die hier übrig.« Er deutete mit dem Kinn auf die zwölf Fotos auf seinem Schreibtisch. »Aber so langsam fangen meine Augen an, mir Streiche zu spielen. Ich weià gar nicht mehr, worauf ich eigentlich achten soll.«
Hunter bezog hinter Garcias Schreibtisch Aufstellung. Sein Blick sprang von Bild zu Bild, wobei er auf jedem einige Sekunden lang verweilte. Danach schaute er sich erneut das Foto des nicht identifizierten Opfers an. Er schob die Bilder dichter zusammen und ordnete sie neu, bevor er nach einem Blatt Papier griff.
»Man kann jedes Gesicht nach verschiedenen Kriterien beurteilen«, sagte er und legte das weiÃe Blatt Papier so auf das linke Foto der oberen Reihe, dass es zwei Drittel verdeckte. »So werden auch Phantomzeichnungen angefertigt. Einzelne Merkmale werden Stück für Stück zu einem Ganzen zusammengesetzt.«
Garcia rückte näher heran.
»Die Form des Kopfes und der Ohren, dann Augenbrauen, Augen und Nase, Mund, Kieferkontur, Kinn â¦Â« Jedes Mal wenn Hunter ein Merkmal nannte, deckte er das restliche Gesicht mit dem Blatt ab. »Hier können wir grob dasselbe Prinzip anwenden.«
Wenige Minuten später hatten sie weitere acht Fotos aussortiert.
»Ich würde sagen, unser Opfer ist eine von diesen vier Frauen«, verkündete Hunter schlieÃlich. »Sie haben alle die gleichen Merkmale â ovales Gesicht, kleine Nase, mandelförmige Augen, stark geschwungene Augenbrauen, markante Wangenknochen ⦠genau wie unser Opfer.«
Garcia signalisierte seine Zustimmung durch ein Nicken.
Hunter überflog die Datenblätter, die Garcia hinten an die Fotos geheftet hatte. Sämtliche Frauen wurden seit über einer Woche vermisst. Sie wohnten und arbeiteten in den unterschiedlichsten Gegenden der Stadt. Auf den ersten Blick schienen die vier Frauen bis auf ihr Aussehen nicht das Geringste gemeinsam zu haben.
Hunter warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir müssen sie heute noch überprüfen.«
Garcia schnappte sich seine Jacke. »Von mir aus können wir sofort los.«
Hunter reichte ihm zwei der vier Fotos. »Nimm du die hier, ich nehme die anderen beiden.«
Garcia nickte.
»Und ruf mich an, falls du was rausfindest.«
18
Eine Dreiviertelstunde nachdem sie den Anruf bekommen hatte, passierte Whitney Myers das hohe eiserne Tor des luxuriösen Anwesens in Beverly Hills. Sie parkte ihre gelbe Corvette C6 am Ende des groÃen kopfsteingepflasterten Hofs, nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie sich ins Haar, um sich die glänzende lange schwarze Mähne aus dem Gesicht zu halten. Sie nahm ihren Aktenkoffer vom Beifahrersitz, sah auf die Uhr und lächelte. Angesichts des notorisch dichten L.-A. -Nachmittagsverkehrs und der Tatsache, dass sie in Long Beach gewesen war, als der Anruf sie erreicht hatte, waren fünfundvierzig Minuten gewissermaÃen Lichtgeschwindigkeit.
Auf den Stufen zum Hauseingang wurde sie von Andy McKee begrüÃt. Er war Anwalt und in gleichem MaÃe klein, dick und genial.
»Whitney«, sagte er und wischte sich mit einem weiÃen Taschentuch den Schweià von der Stirn. »Danke, dass Sie so schnell kommen konnten.«
»Kein Problem«, sagte sie, während sie sich die Hand gaben. »Wer wohnt hier? Das Haus ist ein Traum.«
»Er wartet drinnen auf Sie.« McKee beäugte sie anerÂkennend, und erneut erschienen SchweiÃperlen auf seiner Stirn.
Whitney Myers war sechsunddreiÃig Jahre alt, hatte dunkle Augen, eine schmale Nase, hohe Wangenknochen, volle Lippen und ein markantes Kinn. Ihr Lächeln war eine Waffe, mit der sie selbst starke Beine in Pudding verwandeln konnte. Schon viele selbstbewusste und redegewandte Männer hatten angefangen, zusammenhangloses Zeug zu stammeln und wie kleine Kinder zu kichern, nachdem sie es auf sie losgelassen hatte. Sie sah aus wie ein Model an seinem freien Tag, und dass sie sich nicht sonderlich viel Mühe mit ihrem ÃuÃeren gab, machte sie nur noch schöner.
Myers hatte mit einundzwanzig Jahren als Polizistin angefangen. Sie hatte härter als alle anderen Kollegen in ihrer Dienststelle gearbeitet, um so schnell wie möglich Detective zu werden. Ihre Intelligenz,
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