Der Knochenbrecher
Pinsel hingelegt und ist nachsehen gegangen.«
»Und der einzig logische Grund, weshalb wir ihre Arbeitskleider und Schuhe nicht finden können, ist, dass sie sie zum Zeitpunkt ihrer Entführung getragen hat.«
Hunter blieb neben mehreren fertigen Bildern stehen, die an der Wand lehnten. An der groÃen Leinwand ganz rechts fiel ihm etwas auf. Auf ihr war ein faszinierender Farbverlauf zu sehen, von gelb an einem Ende zu rot am anderen. Er machte ein paar Schritte zurück und legte den Kopf schief. Die Leinwand lehnte hochkant in einem Winkel von etwa fünfundsechzig Grad an der Wand, aber eigentlich musste man das Bild quer betrachten, nicht längs. Aus der Entfernung hatte die Farbkombination etwas geradezu HypnoÂtisches. Laura besaà Talent und ein erstaunliches Gespür für Farben, aber das war es nicht, was Hunters Aufmerksamkeit erregt hatte.
Er trat auf das Bild zu, ging daneben in die Hocke und betrachtete eingehend den FuÃboden um die Leinwand herÂÂum, bevor er einen Blick dahinter warf.
»Na, das ist aber interessant.«
25
Whitney Myers fuhr in ihr Büro nach Long Beach, wo sie ihren Assistenten und Recherche-Spezialisten Frank Cohen antraf, der durch einen Stapel Computerausdrucke blätterte. Als Myers die Tür hinter sich schloss, sah er auf.
»Na?«, begrüÃte er sie und schob sich die Brille auf der langen, spitzen Nase nach oben. »Irgendwas gefunden?« Er wusste, dass Myers den GroÃteil des Tages mit der Durchsuchung von Katias Apartment in West Hollywood verbracht hatte.
»Ein paar Hinweise.« Sie stellte ihre Tasche auf den Stuhl hinter ihren Glasschreibtisch und langte nach der Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee, dessen Duft sich im Büro Âausbreitete. »Wer auch immer Katia entführt hat â¦Â« Sie schenkte sich eine Tasse voll und rührte einen Teelöffel braunen Zucker hinein. »⦠hat es von ihrem Apartment aus getan.«
Cohen beugte sich vor.
»Es war genau so, wie ihr Vater gesagt hat: Ich habe ihr Handtuch in der Küche gefunden. Der Geruch daran war ziemlich schwach, aber er passte zum Conditioner im Badezimmer. Ihre zwei Koffer standen vor dem Bett.«
»Koffer?« Cohen runzelte fragend die Stirn.
Myers trat zu dem groÃen Fenster mit Ausblick über den West Ocean Boulevard. »Katia Kudrov war gerade von einer Tournee mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra zurückgekommen. Sie war zwei Monate lang weg gewesen«, klärte sie ihren Mitarbeiter auf. »Sie hatte nicht mal Zeit zum Auspacken.«
»Hast du ihre Handtasche oder ihr Handy gefunden?«
Myers schüttelte den Kopf. »Nur den Autoschlüssel, so wie ihr Vater gesagt hat.«
»Einbruchsspuren?«
»Nichts. Alle Schlösser unversehrt. Türen, Fenster, Balkon.«
»Anzeichen für einen Kampf?«
»Keine, es sei denn, man wertet ein Handtuch auf dem KüchenfuÃboden und eine Flasche WeiÃwein, die nicht im Kühlschrank steht, als solche.«
Cohen schürzte nachdenklich die Lippen. »War sie in einer Beziehung?«
»Nicht mit jemandem, der in ihrer Wohnung auf sie hätte lauern können, falls du das meinst. Katia hatte was mit dem neuen Dirigenten des Orchesters, einem Typen namens Phillip Stein. Offenbar war es aber bloà eine lockere Affäre, nichts Ernstes.«
»Sieht er das denn genauso?«
»Nein, er hat sich natürlich in sie verliebt. Ihr Vater meinte, für Katia wären es immer bloà Affären. Sie hätte keine Lust auf feste Beziehungen. Die Musik sei ihre wahre Liebe.«
Cohen schnitt eine Grimasse. »Tiefgründig.«
»Katia und dieser Phillip waren zusammen auf Konzerttournee, und bevor du fragst, es gab keinerlei Hinweise darÂauf, dass er am fraglichen Abend bei ihr in der Wohnung war. Sie hat vor ein paar Tagen mit ihm Schluss gemacht, kurz vor ihrem letzten Konzert.«
»Das hat ihm bestimmt nicht gefallen.«
»Worauf du wetten kannst.«
»Und wo ist er jetzt? Oder vielmehr: Wo war er an dem Abend, als sie nach L. A. zurückgekommen sind?«
»In München.«
»München in Deutschland?«
Ein kurzes Nicken. »Er war so sauer, dass er nach dem letzten Konzert nicht mit dem Orchester zurückgereist, sondern nach Deutschland weitergeflogen ist. Seine Familie lebt dort. Er kann es nicht gewesen sein, ganz egal wie stark sein Motiv auch sein mag.«
Cohen dachte nach und
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