Der Knochenbrecher
Augen verengten sich zu Schlitzen, als er das Foto betrachtete, das gerade auf dem Bildschirm zu sehen war. »Ich glaube, das ist er â der Mann, der mit Laura Telefonnummern ausgetauscht hat.« Er zeigte auf jemanden am Bildrand. Er war groÃ, hatte kurzgeschnittene Haare und trug einen dunklen Anzug. Sein Gesicht war teilweise von einem Kellner verdeckt, der mit einem Getränketablett an ihm vorbeieilte. Natalie nutzte die Zoomfunktion unten in der Menüleiste, um den Ausschnitt zu vergröÃern, wodurch man allerdings auch nicht mehr vom Gesicht des Mannes erkennen konnte. Er schien etwa im selben Alter zu sein wie Laura Mitchell.
»Hat einer von Ihnen beiden ihn schon mal gesehen?«, wollte Hunter wissen.
Lange schüttelte den Kopf, aber Natalie schien sich nicht ganz sicher zu sein. »Ich glaube, ja, auf einer unserer früheren Ausstellungen.«
»Sind Sie sicher? Wissen Sie noch, auf welcher?«
Sie überlegte eine Weile. »Ich weià nicht mehr, welche Ausstellung es war, aber er kommt mir definitiv bekannt vor.«
»Sind Sie sicher, dass Sie ihn in der Galerie gesehen haben? Nicht in einem Coffeeshop, in einem Restaurant oder Club �«
Erneut dachte Natalie angestrengt nach. »Nein, ich glaube, es war hier in der Galerie.«
»Gut, wenn Sie ihn noch mal sehen oder Ihnen wieder einfällt, welche Ausstellung er besucht hat, rufen Sie mich an, in Ordnung? Wenn er in die Galerie kommt, versuchen Sie nicht, ihn anzusprechen. Melden Sie sich einfach bei mir.«
Natalie nickte und machte mit den Bildern weiter.
»Stopp«, rief Lange wenige Bilder später. Diesmal zeigte er auf einen anderen groÃen, kräftig gebauten Mann, der wenige Schritte von Laura entfernt stand. Er sah sie an, als wäre sie die einzige Person im Raum. »Das ist ihr Exverlobter. Ich glaube, er heiÃt â¦Â«
»Patrick Barlett«, fiel Hunter ihm ins Wort. Er vergröÃerte das Bild. »Wir brauchen Kopien von sämtlichen Fotos.«
»Kein Problem«, sagte Natalie. »Ich brenne sie Ihnen auf CD , bevor Sie gehen.«
Nur wenige Fotos vor Ende des Ordners bat Lange Natalie erneut, den Bilddurchlauf anzuhalten. Da war er. Der groÃe, geheimnisvolle Fremde, mit dem Laura Telefonnummern ausgetauscht hatte. Er stand neben ihr, und diesmal blickte er direkt in die Kamera.
29
Gustavo Suarezâ Studio lag im Keller seines eingeschossigen Hauses in Jefferson Park, South Los Angeles. Es war zwar klein, aber mit modernster Technik ausgestattet.
Gus war seit siebenundzwanzig Jahren als Tontechniker tätig. Er besaà das absolute Gehör und konnte jeden Ton von jedem beliebigen Instrument sofort auf einer Tonleiter einordnen. Aber sein Wissen ging weit über das rein Musikalische hinaus. Er war fasziniert von Geräuschen aller Art, von ihren Schwingungen und Modulationen, davon, wie man sie erzeugte und wie verschiedene Umgebungsfaktoren ihren Klang verändern konnten. Aufgrund dieses Wissens, seines begnadeten Gehörs und seiner langjährigen Erfahrung war er vom LAPD schon des Ãfteren zu Hilfe gerufen worden, und zwar immer dann, wenn irgendeine Art von Ton, Geräusch oder Tonaufzeichnung bei einem Fall eine kritische Rolle spielte.
Whitney Myers hatte Gus kurz nach ihrer Ernennung zum Detective kennengelernt, und während ihrer Ausbildung zur Vermittlerin beim FBI hatten sich ihre Wege erneut gekreuzt. Seit sie als private Ermittlerin arbeitete, hatte Myers Gusâ Fachwissen bislang erst zweimal in Anspruch genommen.
Gus war siebenundvierzig Jahre alt, hatte einen rasierten Schädel und mehr Tattoos am Körper als ein Hells Angel. Doch trotz seines furchteinflöÃenden ÃuÃeren war er ein friedlicher Zeitgenosse. Er öffnete die Tür, sah Frank Cohen und vermochte seine Enttäuschung nicht zu verbergen.
»Wo ist Whitney?«, fragte er und spähte über Cohens Schulter hinweg.
»Sorry, Gus, du musst mit mir vorliebnehmen. Sie hat anderweitig zu tun.«
»Verdammt, Alter, und ich hab mir extra mein bestes Hemd angezogen.« Gus strich mit den Händen über die Brust seines frisch gebügelten dunkelblauen Hemds. »Hab sogar ein paar Tropfen Aftershave aufgelegt und alles.«
»Ein paar Tropfen?« Cohen machte einen Schritt zurück und hielt sich die Nase zu. »Du riechst, als hättest du in dem Zeug gebadet. Was zum Teufel ist das, Old Spice?«
Gus zog die
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