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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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starker Brand gewesen.
    Um eine Leiche in Brand zu setzen, braucht man große Hitze: Immerhin stellt Wasser den größten Anteil unseres Körpergewichts, und ein solcher Körper lässt sich ebenso schwer anzünden wie völlig durchweichtes Holz. Hat eine Leiche aber erst einmal Feuer gefangen, brennt sie erstaunlich gut, unter anderem deshalb, weil wir viel Kohlenstoff enthalten. Ein weiterer Grund ist unser Körperfett.
    Vor einigen Jahren untersuchte einer unserer Doktoranden, welche Faktoren bei der »spontanen Verbrennung« mitwirken, also wenn Menschen Feuer fangen und verbrennen. In Wirklichkeit läuft der Vorgang natürlich alles andere als spontan ab. Damit ein Mensch zur Fackel wird, braucht man sowohl eine Brandquelle (zum Beispiel eine glimmende Zigarette) als auch eine äußere Brennstoffzufuhr (vielleicht durch eine Matratze oder ein Sofa). In manchen Fällen jedoch, vor allem wenn das Opfer stark übergewichtig ist, entsteht dann ein großes, heißes, stark rußendes Fettfeuer. Wenn Forschung überhaupt eine Moral beinhaltet, dann lautete die grausige Moral aus den Forschungsarbeiten dieses Studenten ganz einfach: Achte auf dein Gewicht, und rauche nicht im Bett. (Das eine gelingt mir halbwegs, das andere tue ich definitiv nicht.)
    In der anthropologischen Forschungseinrichtung der University of Tennessee haben Doktoranden tatsächlich gespendete Leichen und amputierte Gliedmaßen angezündet, um wissenschaftlich präzise zu erfassen, was sich bei der Verbrennung eines menschlichen Körpers abspielt. Sie beobachteten und fotografierten die Vorgänge aus nächster Nähe und lieferten damit grundlegende Daten über den »normalen« Ablauf der Verbrennung. Vor dem Hintergrund solcher Befunde können wir der Polizei viel besser helfen, anormale und verdächtige Sachverhalte zu erkennen. Unter anderem nimmt eine verbrannte Leiche normalerweise die »Faustkämpferhaltung« ein: Wenn Muskeln und Sehnen erhitzt werden, schrumpfen sie ein, weil das Wasser verdampft, und die Hände schließen sich zur Faust. Auch die Arme beugen sich und ziehen die Fäuste in Richtung der Schultern, wie ein Preisboxer in Abwehrhaltung. Die Beine werden ebenfalls ein wenig angewinkelt, und der Rücken wölbt sich. Eine Leiche, die sich auf diese Weise bewegt und die Boxerhaltung annimmt, ist ein unheimlicher Anblick; es ist, als würde sie sich ein letztes Mal verzweifelt gegen den Sensenmann auflehnen. Lässt man das Gespenstische beiseite, ist es wissenschaftlich sehr aufschlussreich. Wenn man bei einer gerichtsmedizinischen Untersuchung eine verbrannte Leiche findet, die nicht die Faustkämpferhaltung angenommen hat, kann man daraus möglicherweise schließen, dass das Opfer bei seinem Tod gefesselt war, vielleicht mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen.
    In diesem Fall bestand jedoch keine Aussicht, solche Anhaltspunkte zu finden. Erstens hatten die Mitarbeiter des medizinischen Sachverständigen von Monterrey die Leichenreste bereits aus dem Suburban entfernt. Und zweitens war die Hitze so stark gewesen, dass die meisten Knochen zu kleinen Bruchstücken zerfallen waren. Ob die Arme gestreckt oder gebeugt, frei beweglich oder gefesselt waren, konnte man unmöglich feststellen.
    Ich kniete mich neben dem Fahrzeugwrack auf den Boden, beugte mich durch die Fahrertür ins Innere und begann in den verkohlten Trümmern auf dem Bodenblech zu wühlen. Ich suchte nach verbliebenen Knochen oder Zähnen. Sehr schnell fand ich tief in einer Ascheschicht ein kleines, graues, gewölbtes Knochenstück. Es hatte zwar nur eine Kantenlänge von sieben bis zehn Zentimetern, aber ich erkannte darin das Schädeldach. Die glatte Innenfläche war verbrannt, sodass das schwammartige Innere des Knochens frei lag.
    Durch den Knochenfund in der Trümmerschicht war zumindest eine Frage beantwortet, die mich bis dahin beschäftigt hatte: Die Leiche war tatsächlich in dem Wagen verbrannt; man hatte nicht während des Brandes oder schon davor einfach ein paar verbrannte Knochen hineingeworfen. Aus der Lage anderer verbrannter Teile in seinem Umfeld konnte ich ablesen, dass die Leiche tatsächlich hier in dem Suburban ein Raub der Flammen geworden war.
    Das Schädelbruchstück hatte also eine wichtige Frage beantwortet, gleichzeitig aber auch eine neue, ebenso wichtige Frage aufgeworfen: Wie kam das Schädeldach ganz unten in den Trümmerhaufen? Und warum lag es mit der Unterseite nach oben? Theoretisch konnte man sich natürlich vorstellen, dass

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