Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
sterben. Augenzwinkernd versicherte sie mir, dass ich als Erster abtreten werde. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass sie damit Recht hat. Ich hoffe nur, sie hat nicht irgendwo eine Sieben-Millionen-Dollar-Police auf mein Leben versteckt.
Das North End von Boston ist ein angesagter, kreativer Hightech-Stadtteil mit vielen Loftwohnungen, Künstlern und Dotcom-Unternehmen. Eine der erfolgreichsten Webdesign-Firmen waren im Herbst 2000 die Double Decker Studios. Sie zählten das Bostoner Nahverkehrsunternehmen ebenso zu ihren Kunden wie den Medienriesen America Online. Der Ruf der Firma stieg ebenso in Schwindel erregende Höhen wie ihr Umsatz.
Zu denen, die sich um das finanzielle Wachstum des jungen Unternehmens kümmerten, gehörte auch Thomas Hamilton. Er war ungefähr ein Jahr zuvor als Finanzcontroller bei Double Decker eingetreten; seither war er durch seine Leistungen zu einem heißen Kandidaten für eine größere Beförderung zum Finanzchef geworden. Die Stelle war mit einem großen Gehalt und einer großen Verantwortung verbunden.
Kemper Life hatte einen Privatermittler aus Connecticut namens Frank Rudewicz angeheuert, der Rutherfords Spur in Neuengland wieder aufnehmen sollte. Zur gleichen Zeit beschäftigte sich Mike Garrigan, ein Detektiv aus Massachusetts, mit Thomas Hamilton. Dabei ergab sich nichts Ungewöhnliches, abgesehen von einem seltsamen kleinen Detail: Hamilton fuhr ein Auto, das auf den Namen von Rhynie Rutherford zugelassen war. Als die Detektive zusammentrafen und ihre Notizen austauschten, stellten sie fest, dass die Lebenswege von Rutherford und Hamilton sich durch eine Reihe seltsamer Zufälle verflochten. Als sie dann die Fotos verglichen, wussten sie auch, warum: Thomas Hamilton war Madison Rutherford. Nachdem Madison in Mexiko seinen Tod vorgetäuscht hatte, war er heimlich wieder über die Grenze nach Neuengland zurückgekehrt und hatte unter einem neuen Namen eine neue Stelle angenommen, die aber ebenfalls mit Finanzen zu tun hatte.
Die beiden gruben noch mehr aus. Thomas Hamilton war nicht der erste Falschname, den Rutherford benutzt hatte. Auch »Madison Rutherford« war ein Pseudonym, oder war es jedenfalls etliche Jahre lang gewesen. Geboren wurde der aalglatte Betrüger als »John Patrick Sankey«; den Namen Madison Rutherford hatte er erstmals schon 1986 benutzt, um sich Steuerrückzahlungen zu erschleichen, eine Hypothek für sein Anwesen von zweieinhalb Hektar zu erhalten und die Lebensversicherungen abzuschließen. Erst wenige Monate vor der Reise nach Mexiko hatte er seinen Namen ganz legal von Sankey in Rutherford geändert, und das auch nur deshalb, weil man zuvor einen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses abgelehnt hatte. Nach außen hin schien es ihm und Rhynie zwar gut zu gehen, in Wirklichkeit waren die beiden aber hoch verschuldet: Madison hatte den Offenbarungseid geleistet, und der Versicherungsbetrug war ein verzweifelter Versuch, aus einem sehr tiefen Loch herauszukommen.
Der Detektiv Garrigan entdeckte noch ein weiteres nützliches Detail: Zu Madisons neuem Leben in Boston gehörten auch mindestens zwei neue Freundinnen. Als Rhynie davon erfuhr, war sie keine trauernde Witwe mehr, sondern eine wütende, betrogene Ehefrau.
Von den Detektiven alarmiert, handelte das FBI sehr schnell. Als »Thomas Hamilton« am Nachmittag des 7. November 2000 sein Büro bei den Double Decker Studios verließ, standen FBI-AGENTEN bereit und nahmen ihn fest. Der Staatsanwalt klagte ihn wegen Betruges an, weil er seinen Tod vorgetäuscht hatte und die Versicherungsunternehmen beschwindeln wollte. Nachdem ein ganzer Berg von Indizien einschließlich der Aussage seiner verbitterten Frau Rhynie gegen ihn sprach, bekannte sich Rutherford des Betruges für schuldig und erhielt dafür die Höchststrafe von fünf Jahren. »Das war eines der schwersten Verbrechen, die mir in diesem Gerichtssaal begegnet sind«, sagte der Bundesrichter zu ihm. »Es ist ein Verbrechen, das vielen Menschen viel Schmerz bereitet hat.«
Mit der Entdeckung, dass Madison Rutherford gesund und munter in Boston lebte, war die Frage nach seinem Schicksal und Verbleib beantwortet. Ein anderes Rätsel jedoch ist nach wie vor nicht gelöst: Wer verbrannte an jenem frühen Morgen des 12. Juli 1998 in dem Chevrolet Suburban bei Monterrey? Eines ist sicher: Rutherford hatte nicht einfach auf irgendeinem Friedhof neben der Straße ein altes Skelett ausgegraben - die Brüche in den Knochen zeigten, dass die Leiche
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