Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
sagte nie gegen ihn aus. Nach einigen Monaten im Gefängnis wurde Tom Huskey freigelassen.
Wenige Wochen später wurde Huskey erneut aufgegriffen; dieses Mal hatte er eine verdeckte Ermittlerin der Polizei nach käuflichem Sex gefragt. Er wurde vorgeladen, erhielt eine Geldstrafe und ging wiederum als freier Mann. Aber er blieb ein Gefangener von Wollust und Aggressivität, und für beides waren Prostituierte seine Zielobjekte. Unter den Damen des Gewerbes hatte er schon bald einen schlechten Ruf und einen Spitznamen: der »Zoomann«. Er hatte zwei Jahre die Elefanten im Zoo von Knoxville versorgt, aber dann hatte man ihn entlassen, weil er Tiere missbraucht hatte. Sein früherer Beruf war jedoch nicht der einzige Grund für den Spitznamen: Während der Zeit, als er im Zoo arbeitete, und auch später nahm er die Prostituierten gern mit in einen leeren Viehstall, der sich unmittelbar neben den Tiergehegen befand. Gerüchten zufolge fesselte er dort die Frauen, um sie dann zu missbrauchen. Im Sommer 1992 hatte es sich im Rotlichtmilieu von Knoxville herumgesprochen: Hände weg vom Zoomann.
Aber offenbar wussten nicht alle darüber Bescheid: An einem Sonntagnachmittag im September holte Huskey erneut eine Prostituierte in sein Auto und fuhr mit ihr zur Cahaba Lane. Er versprach ihr 75 Dollar, fast das Doppelte des üblichen Lohns. Aber wie sie später der Polizei berichtete, fesselte ihr Huskey im Wald sofort die Hände auf dem Rücken; dann wurde sie geschlagen und vergewaltigt. Wie schon im Februar ließ er sein Opfer auch dieses Mal gefesselt und auf dem Boden liegend zurück.
Wenige Wochen später, am Abend nachdem man die Leiche von Patty Anderson gefunden hatte, wurde Tom Huskey in Pigeon Forge festgenommen; die Polizei hatte ihn in dem Wohnwagen aufgestöbert, den er mit seinen Eltern bewohnte. Als Beamte die Behausung durchsuchten, fanden sie in Huskeys Zimmer ein Stück orangefarbenen Bindfaden des gleichen Typs, mit dem auch Andersons Hände gefesselt waren. Außerdem entdeckten die Polizisten einen Ohrring, der später als ihr Eigentum identifiziert wurde, und daran hing ein blondes Haar. Da die Haarwurzel fehlte, konnte man daraus nicht genügend DNA für einen Abgleich mit dem Erbmaterial des Mordopfers gewinnen. Eine chemische Analyse im kriminaltechnischen Labor des FBI ergab jedoch, dass das Haar aus Huskeys Zimmer mit dem gleichen Mittel gefärbt war wie die Haare von Patty Anderson.
Im nächsten Schritt der Ermittlungen wurden die beiden Orte durchsucht, die Huskey bekanntermaßen mit den Frauen aufgesucht hatte: der Stall am Zoo von Knoxville und der Wald oberhalb der Cahaba Lane. In den letzten Monaten waren sechs oder acht Prostituierte aus der Gegend als vermisst gemeldet worden, und wenn Huskey eine davon umgebracht hatte - worauf alle Indizien hindeuteten -, kam er vielleicht auch in den anderen Fällen als Täter in Frage.
Wenn eine Prostituierte spurlos verschwindet, muss das natürlich nicht bedeuten, dass sie umgebracht wurde. Ich hatte schon mehrere Fälle bearbeitet, an denen solche Frauen beteiligt waren, und war dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass viele von ihnen ein unstetes Nomadenleben führen. Einerseits sind sie häufig bestrebt, den Gesetzeshütern immer einen Schritt voraus zu sein, und andererseits können sie höhere Preise fordern, wenn sie in einer Gegend das neue Gesicht sind. Vielleicht hatten die verschwundenen Prostituierten sich also einfach fettere Weidegründe gesucht; vielleicht waren aber manche von ihnen auch tot und verwesten im Wald oder in dem alten Viehstall. Leider war der Stall während des Sommers abgebrannt, und man hatte das ganze Gelände eingeebnet. Zufall oder Brandstiftung? Jedenfalls waren alle Indizien, die es vielleicht einmal gegeben hatte - und wenn es auch bloß verbrannte Knochen waren -, längst weg. Damit blieb uns nur noch die Cahaba Lane.
Sechs Tage nachdem man die Leiche von Patty Anderson gefunden hatte, rief mich die Polizei des Kreises Knoxville an. Der Beamte erklärte, sie hätten bei der Cahaba Lane zwei weitere Frauenleichen entdeckt. Ob ich wohl vorbeikommen und mir die Sache ansehen könne? Ich stellte ein kleines Team zusammen: Bill Grant, der später als forensischer Anthropologe bei der US-Armee tätig war, sowie Lee Meadows und Murray Marks, beide heute Professoren an der University of Tennessee, die neben ihren Lehraufgaben an forensischen Fällen arbeiten und heute die Body Farm leiten. Gemeinsam quetschten wir uns in
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