Der König auf Camelot
sie die Chance, Rassen-Schulden zu begleichen
und zum Spaß ein bißchen Blut fließen zu lassen und durch Lösegelder ein
bißchen Geld einzusacken. Sie selber kostet ihr Ungestüm nicht das geringste,
da sie in Rüstungen stecken – und Euch scheint’s gleichfalls zu behagen. Aber
seht Euch das Land an. Stallungen brennen, und aus den Teichen gucken die Beine
von Toten heraus, und in den Straßengräben liegen Pferde mit aufgedunsenen
Bäuchen, und Mühlen stürzen ein, und Geld wird vergraben, und niemand traut
sich mit Gold oder Schmuck an den Kleidern aus dem Hause. Das ist Rittertum,
heutzutage. Das ist die Uther-Pendragon-Note. Und Ihr sagt, Kampf mache Spaß!«
»Ich hab’ an mich persönlich gedacht.«
»Ich weiß.«
»Ich hätte an die Menschen denken sollen, die keine Rüstung
anhaben.«
»Richtig.«
»Macht geht nicht vor Recht – stimmt’s, Merlin?«
»Aha!« entgegnete der Zauberer strahlend. »Aha! Ihr seid
ein schlauer Bursche, Arthur, aber so schnell legt Ihr Euern alten Hauslehrer
nicht rein. Ihr wollt mich provozieren. Ich soll Euch das Denken abnehmen. Aber
so leicht fangt Ihr mich nicht; dazu bin ich ein viel zu alter Fuchs. Ihr
werdet schon selber denken müssen. Geht Macht vor Recht? Und wenn nicht – warum
nicht? Gründe angeben, Pläne machen. Wie wollt Ihr’s überhaupt anstellen?«
»Was – «, begann der König, aber er sah, wie die Stirn des
Alten sich bewölkte.
»Na gut«, sagte er. »Ich werd’ drüber nachdenken.« Und er
begann nachzudenken, wobei er sich über die Oberlippe fuhr, wo der Schnurrbart
sprießen würde.
Ehe sie den Bergfried verließen, ereignete sich noch ein
kleiner Zwischenfall. Der Mann, der die beiden Wassereimer zur Menagerie
getragen hatte, kam mit leeren Eimern zurück. Er kam unmittelbar unter ihnen
vorbei; er ging zur Küchentür und wirkte sehr klein. Arthur, der mit einem
Stein spielte, den er aus einer der Pechnasen herausgebrochen hatte,
wurde des Denkens überdrüssig und beugte sich vor, den Stein in der Hand. »Wie
klein Curselaine aussieht.«
»Er ist winzig.«
»Ich möcht’ wohl wissen, was passiert, wenn ich ihm diesen
Stein auf den Kopf fallen ließe.« Merlin schätzte die Entfernung ab.
»Bei zweiunddreißig Fuß in der Sekunde«, sagte er, »würd’s
ihn umbringen. Vierhundert g reichen aus, die Schädeldecke zu
zertrümmern.«
»Auf diese Weise hab’ ich noch nie jemanden getötet«, sagte
der junge Mann in fragendem Tonfall.
Merlin beobachtete.
»Ihr seid der König«, sagte er.
Dann setzte er hinzu: »Niemand kann Euch was anhaben, wenn
Ihr’s ausprobiert.«
Arthur verharrte reglos auf der Mauer, vorgebeugt, den
Stein in der Hand. Dann blickte er zur Seite, ohne seinen Körper zu bewegen,
und sah seinen Lehrmeister an.
Der Stein fegte Merlin den Hut vom Kopf, und der alte Herr
turnte hinter ihm her die Stiegen hinab, wobei er mit seinem Zauberstab aus lignum
vitae wedelte.
Arthur war glücklich. Wie der Mann im Garten Eden vor dem
Sündenfall erfreute er sich seiner Unschuld und seines Glücks. Statt ein armer
Schildknappe zu sein, war er König. Statt eine Waise zu sein, wurde er von
fast allen geliebt, mit Ausnahme der Gälen, und er seinerseits liebte alle und
jeden.
Für ihn zeigte die friedlich-fröhliche Oberfläche der
taufunkelnden Welt kein Stäubchen des Leids oder der Trauer.
KAPITEL 3
Sir Kay
hatte allerlei von der Königin von Orkney gehört, und nun stellte er Erkundigungen an.
»Wer ist Queen Morgause?« fragte er eines Tages. »Ich hab’ mir sagen lassen, daß sie schön sei. Weshalb
bekämpfen uns diese ›Alten‹? Und was ist mit ihrem Mann, dem König Lot? Wie heißt er wirklich? Jemand hat ihn den König
der Außen-Inseln genannt, und andere nennen ihn King of Lothian and Orkney. Wo
liegt Lothian? Ist das bei Hy Brazil? Ich versteh’ nicht, worum die ganze
Revolte überhaupt ging. Jeder weiß doch, daß der König von England ihr oberster
Feudalherr ist. Wie ich höre, hat sie vier Söhne. Stimmt es, daß sie mit ihrem
Mann nicht zurechtkommt?«
Sie ritten heimwärts, nachdem sie einen Tag in den Bergen
mit Wanderfalken auf Schneehühner gejagt hatten. Merlin begleitete sie, dem
Ausritt zuliebe. Er war neuerdings Vegetarier geworden, Gegner aller blutigen
Sportarten aus Prinzip, obwohl er die meisten in seiner gedankenlosen Jugend
selber ausgeübt hatte und sogar noch heute insgeheim das Treiben der Falken
bewunderte. Ihr meisterliches Kreisen auf der
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