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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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der Gezeitenmündung drehten und drehten und drehten. Vielleicht haben
auch die Planeten kaum anderes im Sinn.
    Die Gedanken der Kinder jedenfalls
waren darauf gerichtet, den Eseln Schmerz zuzufügen. Niemand hatte ihnen
gesagt, daß es grausam sei, ihnen weh zu tun, und niemand auch hatte es den
Eseln gesagt. Die wußten, in ihrer begrenzten Welt, schon allzuviel von
Grausamkeit, als daß sie darüber erstaunt gewesen wären. Dergestalt bildete
der kleine Zirkus eine Einheit – die Tiere wollten sich nicht bewegen, und die
Kinder hatten nichts anderes im Sinn, als sie zu bewegen; beide Gruppen waren
durch ein Glied miteinander verbunden: durch den Schmerz, den beide fraglos
hinnahmen. Der Schmerz an sich war eine solche Selbstverständlichkeit, daß er,
als bedeute er nichts, völlig aus dem Bild verschwunden war. Die Tiere schienen
nicht zu leiden, und die Kinder schienen das Leiden nicht zu genießen. Der
einzige Unterschied bestand darin, daß die Kinder äußerst lebhaft waren,
während die Esel starr und stur blieben.
     
    In diese paradiesische Szene kam, ehe ihnen die Erinnerung
an Mutter Morlans Stube noch ganz aus dem Gedächtnis entschwunden war, ein
Zauber-Nachen übers Wasser daher, eine mit weißen Stoffen verhangene Barke,
mystisch und geheimnisvoll, und ihr Kiel erzeugte in den Wellen eine
wunderliche Musik. In dem Schiff befanden sich drei Ritter und eine seekranke
Bracke. Etwas, das gälischer Tradition weniger entsprochen hätte, war schlechthin
undenkbar.
    »Ich muß schon sagen!« sagte die
Stimme des einen Ritters im Kahn, während sie noch weit draußen waren. »Da ist
doch eine Burg, wie, was? Und was für eine hübsche, muß ich sagen!«
    »Lieber Freund«, sagte der zweite,
»schaukelt nicht so, sonst plumpsen wir gleich allesamt ins Meer.«
    Ob dieser Rüge verflog König
Pellinores Begeisterung, und die verdutzt dastehenden Kinder erstaunten noch
mehr, als er in Tränen ausbrach. Sie hörten sein Schluchzen im Klatschen der
Wellen und in der Musik des näherkommenden Schiffes.
    »Oh, Meer!« sagte er. »Wie wünscht’
ich doch, ich wär’ in dir, was? Ich wünscht’, ich lag fünf Faden tief, fürwahr. Ach, steh
mir bei, ach, steh mir bei!«
    »Zwecklos, ›dreh hier bei‹ zu sagen,
alter Knabe. Der Kasten dreht bei, wo er will. Ist ja auch ein
Zauber-Kahn.«
    »Ich hab’ nicht ›dreh hier bei‹
gesagt«, gab der König zurück. »Ich hab ›steh mir bei‹ gesagt.«
    »Er dreht trotzdem nicht bei.«
    »Ist mir auch ganz egal, ob er
beidreht oder nicht. Ich hab’ ›steh mir bei‹ gesagt!«
    »Also gut: dreh hier bei.«
    Und der Zauber-Nachen drehte bei und
legte dort an, wo sonst die Fischerboote auf den Strand gezogen wurden. Drei
Ritter stiegen aus, und der dritte, wie man sah, war ein Schwarzer. Er war ein
gelehrter Heide oder Sarazene mit Namen Sir Palomides.
     
    »Glücklich gelandet«, sagte Sir Palomides.
»Schockschwerenot!«
    Die Menschen kamen von überallher,
stumm, staunend. Je näher sie den Rittern kamen, desto langsamer gingen sie;
die im weiteren Umkreis aber liefen. Männer, Frauen und Kinder eilten über die
Dünen herbei und rannten den Burghang herunter und verhielten dann plötzlich
den Schritt. In einer Entfernung von zwanzig Schritt blieben sie allesamt
stehen. Sie bildeten einen Kreis und starrten die Neuankömmlinge stumm an – wie
Touristen, die in den Uffizien auf die Gemälde stieren. Sie studierten sie,
betrachteten sie bedächtig. Es hatte jetzt keine Eile mehr, man brauchte nicht
zum nächsten Bild zu hetzen. Ja, es gab weiter keine Bilder – hatte nie andere
gegeben, nur die altvertrauten Szenen von Lothian, seit sie denken konnten.
Ihr Starren war nicht ausgesprochen feindlich, allerdings auch nicht
freundlich. Bilder sind da, um aufgenommen zu werden. Es begann bei den Füßen;
dies schon deshalb, da die Fremdlinge merkwürdig fremdländisch gekleidet waren,
wie Ritter in voller Rüstung; dann wurde das Gefüge der Konstruktion gemustert,
seine Gliederung in Augenschein genommen und der mögliche Preis ihrer sabathons taxiert. Weiter ging’s zu den Beinschienen, zum Harnisch, und immer höher.
Die Gesichter wurden zuletzt examiniert; aber das brauchte seine Weile.
    Die Gälen umstanden die Gallier
offenen Mundes, während die Dorfkinder die Kunde verbreiteten und Mutter
Morlan mit hochgeschürzten Röcken angetrottet kam und die Fischerboote wie wild
heimwärts ruderten. Die jungen Prinzchen von Lothian stiegen wie in Trance von
ihren Eseln

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