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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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und schlossen sich dem Kreise an. Der Kreis nun verengte sich
langsam, drängte seiner Mitte zu, unmerklich, unhörbar wie der Minutenzeiger
einer Uhr; nur
die Spätkommenden gaben noch unterdrückte Rufe von sich, verstummten aber,
sobald sie in den Ring einbezogen waren. Der Kreis zog s ich
zusammen, da er die Ritter anfassen wollte – nicht jetzt, nicht in der nächsten
halben Stunde, nicht eher, als bis die Examinierung vorüber war, vielleicht
nie. Am Ende aber hätte er sie doch gerne angefaßt, teils, um sich zu
vergewissern, daß sie wirklich waren, teils, um den Preis ihrer Gewandung zu
errechnen. Während das Abschätzen noch seinen Fortgang nahm, geschah dreierlei.
Mutter Morlan und die alten Weibsen beteten den Rosenkranz, die jungen Frauen
zwickten einander und kicherten, und die Männer, die im Hinblick auf das Beten
ihre Häupter entblößt hatten, tauschten Bemerkungen auf Gälisch aus: »Sieh dir
den Schwarzen an, Gott behüt’ uns vor dem Übel!« oder: »Sind die nackicht zur
Bettzeit? Wie bringen die bloß ihr Eisengeschirr vom Leibe, um alles in der
Welt?« – Und in den Köpfen von Frauen und Männern, unabhängig von Alter und
Umstand, begann es zu wachsen, fast sichtbar, fast greifbar: das ungeheure,
das unberechenbare Miasma, welches das Hauptmerkmal des gälischen Geistes ist.
    Diese da waren Knights of Sassenachs,
so dachten sie – denn sie konnten’s an der Rüstung erkennen – , und
infolgedessen Ritter des Königs Arthur, jenes Königs also, gegen den ihr
eigener König zum zweiten Mal revoltiert hatte. Waren sie etwa mit typisch
Sassenach’scher Gerissenheit gekommen, um König Lot in den Rücken zu fallen?
Waren sie, als Abgesandte des Oberlehnsherrn – des Landlord – ,
gekommen, um die Rittersteuer einzutreiben, den fälligen Schildpfennig? Waren
sie Angehörige der Fünften Kolonne? Oder gar noch komplizierter – denn es gab
doch wohl keinen Sassenach, der so naiv war, in der Kluft der Sassenach
herzukommen –: waren sie vielleicht überhaupt keine Abgesandten von König
Arthur? Hatten sie sich – mit schier unfaßbarer Gewitztheit – nur als sie
selber verkleidet? Wo war der Haken? Irgendwo war immer einer.
    Der Ring zog sich enger zusammen; die
Münder der Menschen gähnten noch offener, ihre gekrümmten Körper kuschten sich
zu formlosen Säcken und Vogelscheuchen, ihre Äuglein huschten argwöhnisch in
alle Richtungen, und ihre Gesichter nahmen einen Ausdruck verbissener
Dümmlichkeit an, der noch leerer war als zu normalen Zeiten.
    Die Ritter drängten sich, Schutz
suchend, näher aneinander. Rundheraus gesagt: sie wußten gar nicht, daß England
mit Orkney im Krieg lag. Sie waren in eine Aventiure verstrickt gewesen und
konnten deshalb nicht ahnen, was sich in der Zwischenzeit zugetragen hatte. In
Orkney würd’s ihnen keiner sagen.
    »Seht nicht hin«, sagte König Pellinore, »aber da sind
Leute. Was meint Ihr: ob die wohl friedfertig sind?«
     
     
     
     
     
    KAPITEL 6
     
     
    In
Carlion herrschte wegen der Vorbereitungen zum zweiten Feldzug die größte
Verwirrung. Merlin hatte Vorschläge gemacht, wie er zu gewinnen sei; da diese
jedoch einen Hinterhalt mit geheimer Hilfe von außerhalb einbezogen, ’ hatten sie im Dunkeln gehalten werden müssen. Lots langsam heranrückendes Heer
war zahlenmäßig so viel stärker als des Königs Streitmacht, daß es erforderlich
geworden war, mit Kriegslist zu operieren. Die Art und Weise, wie die Schlacht
geschlagen werden sollte, war ein Geheimnis, das nur vier Personen kannten.
    Die gewöhnlichen Bürger, denen die große Politik zu hoch
war, hatten alle Hände voll zu tun. Piken mußten geschärft werden, weshalb die
Schleifsteine in der Stadt bei Tag und Nacht kreischten. Tausende von Pfeilen
mußten befiedert werden, weshalb in den Häusern der Pfeilmacher das Licht nicht
mehr ausging – und die bedauernswerten Gänse auf den Gemeindeweiden wurden
fortwährend von eifrigen Freisassen auf der Jagd nach Federn verfolgt. Die
königlichen Pfaue waren kahl wie alte Besen – fast alle Meisterschützen
schätzten Pfauenfedern, da sie ›Klasse‹ waren: sie hatten den Pfauen-Fimmel – ,
und der Geruch kochenden Leims stieg gen Himmel. Die Waffenschmiede, welche die
Ritter ausstaffierten, hämmerten munter und musikalisch drauflos, und die
Hufschmiede beschlugen die Streitrosse, und die Nonnen strickten unaufhörlich
Wollschals für die Soldaten oder fabrizierten eine Art Verbandsstoff, den man tent nannte. König

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