Der König auf Camelot
Lot hatte bereits einen Treffpunkt für die Schlacht bestimmt:
Bedegraine.
Der König von England erkletterte mühsam die
zweihundertundacht Stufen, die zu Merlins Turmzimmer führten, und klopfte an
die Tür. Der Zauberer war da; Archimedes saß auf der Rückenlehne seines Sessels
und versuchte angestrengt, die Quadratwurzel von minus eins zu finden. Er hatte
vergessen, wie man das macht.
»Merlin«, sagte der König keuchend, »ich möcht’ mit Euch
reden.«
Der Alte schlug laut sein Buch zu, sprang auf die Füße,
packte seinen Stab aus lignum vitae und stürzte sich auf Arthur, als
wolle er ein verirrtes Huhn zurückscheuchen.
»Verschwindet!« rief er. »Was wollt Ihr hier? Was soll das
heißen? Seid Ihr nicht König von England? Geht und laßt mich holen!
Verschwindet aus meinem Zimmer! So was habe ich doch noch nicht gehört! Geht
sofort und laßt mich holen!«
»Aber ich bin doch hier.«
»Nein, seid Ihr nicht«, entgegnete der Magier spitzfindig.
Er schob den König zur Tür hinaus und schlug sie hinter ihm zu.
»Jau!« sagte Arthur und ging bekümmert die
zweihundertundacht Stufen hinunter.
Eine Stunde später fand Merlin sich in den königlichen
Gemächern ein, nachdem ein Page ihm eine entsprechende Vorladung übermittelt
hatte.
»So ist’s schon besser«, sagte er und ließ sich bequem auf
einer mit einem Teppich bedeckten Bank nieder.
»Steht auf«, sagte Arthur; er klatschte in die Hände und
ließ den Sitz von einem Pagen entfernen.
Merlin stand da und kochte vor Entrüstung. Er ballte die
Fäuste, und die Handknöchel wurden weiß.
»Wir unterhielten uns seinerzeit über das Rittertum«,
begann der König in leichtem Plauderton…
»Ich kann mich keiner solchen Unterhaltung erinnern.«
»Nein?«
»In meinem ganzen Leben bin ich nicht derart beleidigt
worden!«
»Aber ich bin der König«, sagte Arthur. »Und Ihr könnt Euch
doch in Gegenwart eines Königs nicht hinsetzen.«
»Quatsch!«
Arthur brach in ein Gelächter aus, das schon nicht mehr
schicklich war, und Sir Kay, sein Ziehbruder, und Sir Ector, sein alter
Vormund, kamen hinter dem Thron hervor, wo sie sich versteckt hatten. Kay nahm
Merlins Hut ab und setzte ihn Sir Ector auf, und Sir Ector sagte:
»Teufel-noch-eins, jetzt bin ich ein Schwarzkünstler. Hokuspokus.« Da fingen alle
an zu lachen, schließlich auch Merlin, und Sitzgelegenheiten wurden
herbeibeordert, so daß alle sich niederlassen konnten, und Weinflaschen wurden
geöffnet, damit es keine trockne Zusammenkunft werde.
»Wißt Ihr«, sagte der König stolz, »ich habe ein Konzilium
einberufen.«
Es entstand eine Pause, denn es war das erste Mal, daß
Arthur eine Rede hielt, und er mußte seine Gedanken sammeln.
»Also«, sagte der König. »Es geht um das Rittertum. Darüber
möchte ich sprechen.«
Merlin beobachtete ihn sogleich scharfen Blicks. Seine
knotigen Finger flatterten zwischen den Sternen und Geheimzeichen seines
Gewandes, aber dem Redner half er nicht. Man könnte sagen, daß der kritische
Augenblick seiner Laufbahn gekommen war – der Augenblick, auf den hin er seit
wer-weiß-wie-vielen Jahrhunderten rückwärts gelebt hatte; und nun würde er
sehen, ob sein Leben umsonst gewesen war.
»Ich habe nachgedacht«, sagte Arthur, »über Macht und
Recht. Ich glaube nicht, daß man Dinge tun sollte, weil man sie tun kann. Ich
glaube, man sollte sie tun, weil man sie tun sollte. Ein Penny ist
schließlich auf jeden Fall ein Penny, wieviel Macht auch ausgeübt wird, um zu
beweisen, daß er’s ist oder daß er’s nicht ist. Ist das klar?« Niemand
antwortete.
»Also, ich hab’ mich eines Tages einmal mit Merlin auf den
Zinnen unterhalten, und da erwähnte er, daß unser letzter Kampf – in dem siebenhundert
Fußsoldaten getötet wurden – kein so großer Spaß gewesen sei, wie ich gedacht
hatte. Natürlich machen Kämpfe keinen Spaß, wenn man darüber nachdenkt. Ich meine,
man sollte keine Menschen töten. Es ist besser, am Leben zu bleiben. – Also
gut. Aber das Merkwürdige ist, daß Merlin mir geholfen hat, Kämpfe zu gewinnen.
Und er hilft mir immer noch, und wir hoffen, gemeinsam die Schlacht von
Bedegraine zu gewinnen, wenn sie losgeht.«
»Keine Bange«, sagte Sir Ector, der eingeweiht war. »Ich
halte das für inkonsequent. Weshalb hilft er mir, Kriege zu gewinnen, wenn sie
böse sind?«
Niemand gab Antwort, und der König begann, mit Bewegung zu
sprechen.
»Ich könnte mir nur denken«, sagte er und errötete, »ich
könnte mir nur
Weitere Kostenlose Bücher